Nach Entführung im Jemen:Kinder kommen nach Hause

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Zwei Mädchen aus Sachsen kehren nach ihrer Befreiung im Jemen zurück nach Deutschland - Eltern und Bruder bleiben aber vermisst.

Christiane Kohl

"Die Kinder brauchen jetzt Ruhe und kein Blitzlichtgewitter", sagt Reinhard Pötschke am Telefon, "sie werden es noch schwer genug haben, um das Geschehene zu verarbeiten". Mehr möchte der Pfarrer aus Radebeul nicht erklären. Den ganzen Tag lang wartete er am Mittwoch darauf, endlich seine beiden Nichten in die Arme zu nehmen. Am späten Nachmittag war es dann wohl soweit: Eine Maschine der Flugbereitschaft der Bundeswehr brachte die Mädchen zunächst wohlbehalten nach Dresden. Nur einen Tag zuvor hatte ein saudisches Spezialkommando die zwei im Jemen entführten Kinder in einem jemenitischen Grenzort befreit.

Vor einem Jahr entführt: Familie aus Meschwitz in Sachsen. (Foto: Foto: dpa)

Vor elf Monaten waren die Mädchen zusammen mit ihren Eltern und einem zweijährigen Bruder im Jemen entführt worden. Die Familie stammt aus Meschwitz bei Bautzen, wo "praktisch jeder jeden kennt", wie Bürgermeister Norbert Wolf berichtet. Auch in dem winzigen Dorf, das nur 177 Einwohner zählt, warteten die Menschen am Mittwoch auf ein Zeichen von den Kindern.

Freilich war sich der Bürgermeister sicher, "dass die Kinder wohl eher nicht hier kommen werden: Das Haus der Familie steht ja leer". Die Eltern, die dem Bürgermeister zufolge in Meschwitz als "sehr ruhige, zurückhaltende Leute" gelten, hatten seit 2003 in einem Krankenhaus in der nordjemenitischen Provinz Saada gearbeitet; die gelernte Krankenschwester und der studierte Maschinenbauer waren für die christliche Hilfsorganisation "Worldwide Services" im Jemen tätig - bis sie am 12. Juni 2009 zusammen mit anderen Ausländern entführt worden waren.

Einige ihrer Mitgefangenen, zwei Bibelschülerinnen und eine Südkoreanerin, waren wenig später tot aufgefunden worden. Von der Familie sowie einem weiteren britischen Gefangenen fehlte zunächst jede Spur. Schon bald nach der Entführung der neun Personen war spekuliert worden, dass eine sunnitische Islamisten-Gruppe hinter der Geiselnahme stecken könnte. Die Hintergründe sind jedoch unklar.

Wie die beiden Mädchen jetzt befreit wurden, ist ebenfalls nicht bekannt. So war lediglich mitgeteilt worden, dass die sechsjährige Lydia und ihre kleine Schwester Anna am Montag in der jemenitischen Grenzregion von saudischen Sicherheitskräften in Empfang genommen worden sei. Es habe keine Kämpfe gegeben, hieß es. Offensichtlich war die Übergabe verabredet. Der Zustand der sechs und vier Jahre alten Mädchen wurde als "den sehr schwierigen Umständen entsprechend gut" beschrieben, sie würden "keine Mangelerscheinungen" aufweisen.

Von den Eltern der Mädchen wie auch von ihrem jüngsten Bruder, dem zweijährigen Simon fehlt offenbar weiter jede Spur. Berichte der Bild-Zeitung, wonach bereits die Leiche des kleinen Jungen gefunden worden sei, wurden vom Auswärtigen Amt nicht bestätigt. Zum Verbleib der Eltern wollten die Diplomaten nicht Stellung nehmen, es gebe "keine belastbaren Informationen".

Pfarrer Pötschke, der Onkel der Kinder, fungiert als eine Art Sprecher der entführten Familie. Er will nun dafür sorgen, dass die beiden befreiten Mädchen streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit bleiben. Die Mädchen würden von Familienmitgliedern in Empfang genommen, hieß es am Mittwoch lediglich. Der geplante Aufenthaltsort in Sachsen, wo sich die Mädchen von den Schrecken der Entführung erholen können, soll möglichst unbekannt bleiben.

© SZ vom 20.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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