Nach dem schweren Busunglück in der Schweiz:Eltern besuchen Unglückstunnel

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Bus und Fahrbahn waren in gutem Zustand, der Fahrer war weder übermüdet noch mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs: Nach dem Busunfall mit 28 Toten im Schweizer Kanton Wallis geht die Suche nach der Unglücksursache weiter. Während sich die meisten verletzten Schüler auf dem Wege der Besserung befinden, ist der Zustand von drei Kindern weiter kritisch.

Warum mussten 28 Menschen - darunter 22 Kinder im Alter von etwa zwölf Jahren - in einem Autobahntunnel sterben? Nach dem schweren Busunfall im Schweizer Kanton Wallis ist die Unglücksursache weiterhin völlig unklar. Nach ersten Erkenntnissen hat weder eine Übermüdung des Fahrers noch überhohte Geschwindigkeit zu der Tragödie geführt. Auch war der Bus offenbar in gutem Zustand, ebenso wie der Fahrbahnbelag im Tunnel. Experten wollen nun das völlig zerstörte Bus-Wrack untersuchen, um nähere Erkenntnisse zum Unfallhergang zu erhalten.

Nach Berichten der Nachrichtenagentur Belga wurden inzwischen alle Verletzten identifiziert: Sieben der 24 verletzten Kinder stammen aus einer Grundschule in Lommel an der niederländischen Grenze, wie Belga berichtete. Die anderen 17 kommen aus Heverlee bei Brüssel. Unter den Verletzten befindet sich auch ein deutscher Jugendlicher, wie das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte. Weitere Angaben zu dem Opfer wurden nicht gemacht.

Die Verwaltung der Krankenhäuser des Kantons Wallis teilte mit, dass 20 dort betreute Kinder bereits auf dem Weg der Besserung seien. Viele hätten allerdings mehrfache Knochenbrüche erlitten, deren Heilung Zeit brauche. Unterdessen bangen die Angehörigen um das Leben von drei schwerverletzten Schulkinder, die sich im Universitätskrankenhaus von Lausanne befinden. Ihr Zustand ist weiterhin kritisch, wie ein Kliniksprecher mitteilte. Einem weiteren schwerverletzten Kind, das im Berner Inselspital behandelt wird, gehe es "den Umständen entsprechend gut", hieß es von dort.

Eltern sollen bei der Identifizierung der Opfer helfen

Bei der Identifikation der ums Leben gekommenen Kinder sollen nun Eltern und Angehörige helfen, die am Mittwoch aus Belgien in die Schweiz geflogen worden waren. Sie wurden am Donnerstagmorgen in eine Kapelle in Sitten gebracht, wo die sterblichen Überreste der Opfer vorübergehend aufgebahrt sind. Sollte es nicht möglich sein, die Toten am Aussehen oder an den Kleidern zu erkennen, würden DNA-Analysen in Auftrag gegeben, sagte ein Sprecher der Kantonspolizei im Wallis.

Einige Eltern besuchten auch den immer noch gesperrten Unfalltunnel nahe der Stadt Siders und legten dort Blumen und schriftliche Botschaften nieder. Man werde allen Angehörigen, die dies wünschten, die Möglichkeit geben, den Unglücksort zu besuchen, sagte der Polizeisprecher. Dafür stünden jederzeit Busse bereit. Die Eltern werden von Trauma-Spezialisten betreut und in der Öffentlichkeit stets von Polizisten begleitet.

Das Unglück ereignete sich am Dienstagabend gegen 21:15 Uhr in einem Tunnel auf der schweizerischen Autobahn A 9. Nach den bisherigen Ermittlungen fuhr der Bus auf der rechten Seite gegen den Bordstein, wurde gegen die Tunnelwand geschleudert und prallte dann frontal in eine Nothaltebucht. Das Vorderteil des Fahrzeugs wurde durch die Wucht des Aufpralls völlig zerstört. Viele Insassen waren in dem Bus eingeklemmt und mussten aus den Trümmern befreit werden. Die Verletzten wurden zum Teil mit Hubschraubern ins Krankenhaus geflogen. Bis zu 200 Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte und Sanitäter waren im Einsatz.

Was zu dem tragischen Unglück geführt hat, ist indes noch völlig offen: Nach belgischen Angaben war kein weiteres Fahrzeug an dem Unfall beteiligt; in der Röhre gibt es keinen Gegenverkehr. Eine Übermüdung des Fahrers ist dem belgischen Verkehrsministerium zufolge nicht wahrscheinlich. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Kanton Wallis war der Bus auch nicht zu schnell unterwegs, als er frontal gegen die Betonmauer prallte. Das habe die Auswertung des Fahrtenschreibers ergeben. Bei dem Fahrer soll nun eine Autopsie vorgenommen werden, um abzuklären, ob er gesundheitliche Probleme hatte.

Möglicherweise "unglückliche Verkettung von Umständen"

Ebenso gab es zunächst keine Hinweise auf eine technische Ursache für die Tunnel-Tragödie. Der verunglückte Bus stammte aus dem Landesteil Flandern und gehörte dem belgischen Unternehmen Toptours. In der Branche habe Toptours einen guten Ruf, sagte der belgische Verkehrsstaatssekretär Melchior Wathelet. Der Bus habe vor fünf Monaten einen technischen Test bestanden.

Möglicherweise habe eine "unglückliche Verkettung von Umständen" zu dem Unfall geführt, sagte Richard Eberhardt, Präsident des Internationalen Bustouristik-Verbands RDA der Pforzheimer-Zeitung. Unmittelbar hinter einer leichten Rechtskurve habe sich eine Haltebucht befunden, an deren Ende der Bus gegen die im rechten Winkel zur Fahrbahn stehende Wand geprallt sei. "Man muss sich nach dem Unglück die Frage stellen, ob die Wände von Haltebuchten in einem flacheren Winkel abgeschrägt auslaufen müssen", sagte Eberhardt dem Blatt.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/Reuters/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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