Mordprozess gegen Studenten:Ein perfektes Opfer

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Ist er der "American Psycho", der aus purer Lust wahllos Menschen tötet? Oder war es eine Tat im Affekt? In Berlin steht ein Student wegen Mordes an einem Obdachlosen vor Gericht.

Wolfgang Luef

Für den Boulevard ist er der deutsche "American Psycho": Gutaussehend, intelligent und völlig skrupellos. Mehrmals wurde das Bild von Michael Z. neben dem des Hollywood-Schauspielers Christian Bale abgedruckt, in seiner Filmrolle als hedonistischer Geschäftsmann, der aus purer Lust wahllos Menschen tötet.

Am Montag hat vor dem Berliner Landgericht der Mordprozess gegen den 28-jährigen Germanistikstudenten Z. begonnen. Er soll im Sommer 2009 einen Obdachlosen mit mehreren Axthieben und Messerstichen getötet, den Körper zerstückelt und Teile davon an einem stillgelegten Güterbahnhof in Berlin versteckt haben. Andere Teile der Leiche lagen in seiner Tiefkühltruhe. Auch nach dem ersten Verhandlungstag bleiben die Tat und das Motiv rätselhaft.

Der Angeklagte hat vor der Polizei ein Geständnis abgelegt. Im Gerichtssaal sitzt er scheinbar regungslos in einem abgeschirmten Bereich hinter seinem Verteidiger, während die Richterin sein handgeschriebenes Geständnis vorliest: "Ich habe einen Menschen getötet", steht auf dem Blatt, dazu knappe Hinweise, wo die Leichenteile versteckt sind.

Vor zwei Monaten hat Mario Z. außerdem einen Brief an seine Mutter geschrieben.In etwas sperrigen Sätzen erzählt er darin, wie er an jenem Sommertag in Berlin die Nacht durchfeierte, und am Bahnhof Zoo den Obdachlosen Jochen G. kennenlernte.

Eigentlich habe er sich schon "in Richtung Heimat in Bewegung setzen" wollen. Doch Jochen G. habe ihn überredet weiterzutrinken. In den frühen Morgenstunden seien die beiden zu einer Tankstelle gegangen, um Bier zu holen.

In der Wohnung des Studenten in Schöneberg habe man zu zweit eine Art Wetttrinken veranstaltet, dann seien er und der Obdachlose in Streit geraten. Es ging um Kleingeld, nicht mehr als ein paar Münzen. "Wie von Sinnen" habe Z. deshalb mit der Axt auf den Obdachlosen eingeschlagen - dem Verteidiger zufolge ist die zweischneidige Waffe ein "antiquarisches" Sammlerstück. "Ich muss auch ein Messer genommen haben, denn ein Arzt hat Stiche festgestellt", schreibt Z. an seine Mutter. Am nächsten Morgen sei er dann panisch erwacht, habe sich an kaum etwas erinnern können und wollte alle Spuren verwischen. In dem Brief ist auch von Gott und dem Evangelium die Rede, und von Vergebung.

Die Staatsanwaltschaft glaubt ihm kein Wort: Sie will beweisen, dass sich Z. schon ein Jahr lang mit dem Gedanken trug, "einen perfekten Mord" zu begehen - dass er einen völlig Fremden als Opfer auswählte, einen Obdachlosen, dessen Verschwinden nicht so rasch auffallen würde, und von dem aus keine Spuren zu ihm führen würden. Sie fordert lebenslange Haft. Sein Verteidiger Matthias Zieger widerspricht: Sein Mandant habe sich am Tag nach der Tat freiwillig gestellt. "So handelt niemand, der einen perfekten Mord begehen will", sagt er.

Doch kann jemand, der im Affekt zuschlägt und über sich selbst entsetzt ist, tatsächlich noch die Kälte aufbringen, einen Körper zu zerstückeln, in Plastiktüten zu packen und teilweise zu vergraben? Michael Z. schweigt vor Gericht. Er möchte keine Angaben mehr machen. Sicher ist, dass das Opfer in der Nacht seines Todes 3,8 Promille im Blut hatte. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet den Mann als "alkoholkrank". Ob auch der Täter alkoholisiert war, ist unklar - die Verteidigung möchte das mit Zeugen belegen, die ihn an der Tankstelle sahen. Das Urteil soll am 24. März fallen.

© SZ vom 09.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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