Uneinigkeit über Persönlichkeitsstörung
Gestörte Persönlichkeit oder nicht? Das ist die Frage, die zwei Psychologinnen im Fall eines unter Mordverdacht stehenden Krankenpflegers eigentlich beantworten sollten. Die Expertinnen haben an diesem Donnerstag vor dem Landgericht Oldenburg ausgesagt. In zahlreichen Punkten stimmten sie überein. So sagten beide vor Gericht aus, dass der Pfleger über einen ausgeprägten Geltungsdrang verfüge und die Patienten nicht mehr als Menschen gesehen habe. Während die Gefängnispsychologin, die den Angeklagten seit 2011 betreut, eine Persönlichkeitsstörung erkennt, ist ihre Kollegin, die ihn früher untersuchte, jedoch gegenteiliger Meinung.
Der Hintergrund: Fast 200 Verdachtsfälle
Der Pfleger muss sich zurzeit wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs vor Gericht verantworten. Er sitzt bereits in Oldenburg im Gefängnis. Das Gericht hatte den Angeklagten 2008 wegen eines Mordversuchs an einem Patienten auf der Delmenhorster Intensivstation zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der 37-Jährige hatte dem Mann eine Überdosis eines Herzmedikaments gespritzt. Inzwischen kommen immer mehr Verdachtsfälle hinzu. Die Polizei prüft allein an der Klinik Delmenhorst den Tod von 174 Patienten. Dazu kommen Fälle an seinen früheren Arbeitsstätten in Oldenburg, Wilhelmshaven und bei den Rettungssanitätern, für die er in seiner Freizeit tätig war.
Prozess gegen Krankenpfleger:Motiv: Langeweile
Ein Krankenpfleger muss sich wegen mehrfachen Mordes von Patienten vor Gericht verantworten. Ein Gutachten legt jetzt nahe, dass er womöglich schon zu einem früheren Zeitpunkt in einer anderen Klinik Kranke getötet hat. Gewarnt wurde niemand - obwohl der Mann schon lange verdächtig war.
Psychologinnen: Pfleger hat Patienten nicht als Menschen gesehen
Er habe sein Opfer im ersten Prozess als "vergammelte Hülle" bezeichnet, sagte die Psychologin, die den Pfleger vor 2011 wegen einer möglichen Vollzugslockerung untersucht hatte. "Der Patient war für ihn ein Objekt." Er habe Notfälle provoziert, um mit dem Gefühl nach Hause gehen zu können, ein toller Krankenpfleger zu sein.
"Es mussten ganz viel Blut, ganz viel Piepen und viele Leute drum herum sein", sagte die Anstaltspsychologin, die den ehemaligen Pfleger seit 2011 betreut. "Nur durch diese Bewunderung hat er sich gespürt." Er habe immer besser sein wollen, als die anderen Pflegekräfte. Er habe viel zu viel gearbeitet, viel Alkohol und Tabletten genommen, um abschalten zu können.
Zahl der Getöteten unklar
Weitere Taten habe er in den vielen Gesprächen mit ihr nie direkt zugegeben - eher "durch die Blume", sagte sie. "Mein Verständnis war immer, dass es noch weitere Fälle gibt." Eine große Mordserie bestreitet der Angeklagte nach Aussage der Gefängnispsychologin. "Er hat gesagt, er wäre doch nicht der größte Massenmörder." Dass die Polizei nun so viele Fälle untersuche, habe er als Wahnsinn bezeichnet.
Andere Häftlinge hatten vor Gericht dagegen ausgesagt, er habe im Gefängnis mit seinen Taten geprahlt - bei 50 Opfern solle er angeblich aufgehört haben zu zählen.