Gericht vertagt Entscheidung über Berufung
Ein südafrikanisches Gericht hat die Entscheidung über ein mögliches Berufungsverfahren gegen Oscar Pistorius überraschend vertagt. Richterin Thokozile Masipa sagte nach Plädoyers von Anklage und Verteidigung, ihre Entscheidung werde erst am Mittwochmorgen bekanntgegeben. Weder Pistorius noch seine Familie waren bei dem Gerichtstermin in Pretoria anwesend.
Der 28-jährige Pistorius hatte im Februar 2013 seine Freundin mit vier Schüssen durch eine geschlossene Badezimmertür getötet. Er wurde zwar wegen Mordes angeklagt, Richterin Masipa sah die Beweislage dafür jedoch in erster Instanz als unzureichend an und sprach Pistorius im Oktober lediglich wegen fahrlässiger Tötung schuldig. Dieses Urteil fechtet die Staatsanwaltschaft an.
Fünf Jahre Haft für Oscar Pistorius:Zwischen Ruhm und Gerechtigkeit
Wie soll Oscar Pistorius für die tödlichen Schüsse auf seine Freundin bestraft werden? Richterin Masipa hatte eine schwierige Balance zu finden, zwischen Schwere der Tat und Zukunft des Täters, zwischen Glaubwürdigkeit und Milde des Gerichts. Wie ist sie zu ihrer Entscheidung gelangt?
Die Argumentation der Staatsanwaltschaft
Staatsanwalt Gerrie Nel argumentierte in seinem Plädoyer, Pistorius habe genau gewusst, was er tat, als er mehrfach durch die Badezimmertür schoss. Das Strafmaß für das, was der Angeklagte getan habe, passe nicht zu dem Verbrechen. "Was setzt das für einen Präzedenzfall, wenn jemand, der in einem solchen Grad schuldig handelte, zu fünf Jahren verurteilt wird?", fragte Nel.
Die Argumentation von Pistorius' Anwalt
Der Paralympics-Star beteuert, er habe einen Einbrecher im Haus vermutet. Sein Anwalt Barry Roux sagte, es dürfe keine Berufung geben, da der Fall juristisch korrekt verhandelt worden sei. Pistorius habe zwar geschossen, aber er "hatte nicht die Absicht, zu töten", betonte der Anwalt.
Was Pistorius droht
Bei einer Verurteilung wegen Mordes würde Pistorius zu lebenslanger Haft verurteilt, was in Südafrika üblicherweise 25 Jahre Gefängnis bedeutet. Viele Rechtsexperten erwarten die Zulassung einer Berufung, zumal das Urteil heftige Kritik von Juristen, Frauenverbänden und schwarzen Südafrikanern hervorgerufen hatte.
Nach dem gegenwärtigen Strafmaß könnte der frühere Superstar nach Einschätzung von Juristen schon nach wenigen Monaten aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt werden. Sollte es zu einer Berufung kommen, könnte die Verteidigung für die Dauer des neuen Prozesses auch eine Freilassung auf Kaution beantragen.
Nach südafrikanischem Recht entscheidet die Richterin selbst, ob sie eine Berufung gegen ihr eigenes Urteil zulässt. Es geht dabei nicht darum, den Prozess völlig neu aufzurollen. Die Berufung darf sich nur auf Fehler bei der Gesetzesauslegung beziehen. Wenn Masipa den Berufungsantrag ablehnt, hat die Anklage die Möglichkeit, noch ein weiteres Mal Rechtsmittel einzulegen.