Kolumne "Mitten in...":Ein Herz für München

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Keine Chance, sagt der Automechaniker am Gardasee. Die kaputte Scheibe könne er heute nicht mehr reparieren. Doch dann sieht er das Nummernschild.

Von Marcel Laskus, Violetta Simon und Max Sprick

Mitten in ... Colombara

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Außerhalb Münchens ist es nicht unbedingt von Vorteil, seinen Wohnort zu verraten. "Oktoberfest!", grölt es einem im Ausland entgegen. Und im Rest Deutschlands oft: "Schnösel." Das sind so Dinge, über die man nachdenken kann, während man in der Hitze am Gardasee sitzt und darauf wartet, dass sich der italienische Fahrzeugmechaniker erbarmt, einen zu registrieren. "No chance", sagt er dann in gebrochenem Englisch, "too many cars." Er zeigt auf seine volle Werkstatt. Ob er sich denn nicht wenigstens kurz die von Dieben zerstörte Scheibe anschauen könnte? Nach einigem Lamentieren kommt er mit ans Auto. Plötzlich erahnt man ein Strahlen unter seiner Maske. Er zeigt aufs Nummernschild. "München?", fragt er und antwortet selbst in perfektem Deutsch: "An München habe ich mein Herz verloren. In eineinhalb Stunden ist das Fenster neu." Max Sprick

Mitten in ... Leipzig

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Ein Treffen mit einem alten Schulfreund. Man redet wie früher, es fühlt sich an wie früher. Und weil es bitte auch so schmecken soll wie zu Schulzeiten, stoppt man vor einer Eckkneipe. Ein Grill steht davor, ein paar Bratwürste brutzeln darauf. Die Grillerei sei privat, sagt der Grillmeister auf Nachfrage, die Ware unverkäuflich. Denn gleich kommen "die Jungs". Eine Rauchschwade später aber ändert der Herr mit der Grillzange zunächst die Liegeseite der Würste und dann, vielleicht von den betrübten Augen der Hungrigen gerührt, auch seine Meinung. Das Grillgut jedenfalls liegt nun im Brötchen. Hier könnte die Geschichte enden. Wären wenig später nicht tatsächlich "die Jungs" aufgetaucht. Vor einem leeren Grill. Nichts wie weg hier? Sie stutzen - und ziehen lachend von dannen. Wer sich jeden Tag sieht, überlebt ausnahmsweise auch ohne Würstchen. Marcel Laskus

Mitten in ... München

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Der Mann, der in einer lauen Sommernacht im Freien vor einem steht, trägt gestreifte Pyjama-Shorts, dazu Flipflops. Was er sagt, ist schwer zu erfassen, weil man abgelenkt ist von der Tatsache, dass seine Füße in weißen Socken stecken, die von den Zehentrennern zerteilt werden. Seinen Oberkörper bedeckt ein Camouflage-Shirt, sein Verhalten indes ist auffällig. Wegen irgendetwas ist er aufgebracht. Er wird lauter, rudert mit den Armen. Keinesfalls dürfe man hier rauchen, unterm Fenster seiner Tochter, sagt er. Und bitteschön auch nicht Musik hören, seine Frau habe Migräne. Außerdem wolle er jetzt schlafen. Verständnisvolles Nicken. Als er davonflipflopt, flattert die Boxershort im Sommerwind. Umgehend werden Musik, Rauchen und Sprechen eingestellt. Nicht dass er zurückkommt. Diesen Anblick verkraftet man nur einmal. Violetta Simon

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