Missbrauch am Jesuiten-Gymnasium:Scham und Enthüllungen

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Nun sollen es bereits 22 Opfer sein: Der Missbrauchsskandal am renomierten Berliner Canisius-Kolleg weitet sich aus. Fragwürdig ist auch die Rolle einiger Eltern.

Oliver Bilger

Wie viele Schüler mussten am Canisius-Kolleg unter sexuellen Übergriffen von Lehrkräften leiden? Das ist eine von vielen offenen Fragen, nachdem Rektor Klaus Mertes die Missbrauchsfälle am renommierten Berliner Jesuiten-Gymnasium am Donnerstag öffentlich gemacht hatte.

Das renommierte Canisius-Kolleg in Berlin: Zwei Padres sollen hier mehrere Schüler missbraucht haben. (Foto: Foto: dpa)

Jahrelang sollen dort zwei Geistliche mehrere Schüler missbraucht haben. Innerhalb eines Tages meldeten sich etwa 15 weitere männliche Opfer bei Pater Mertes. Zuvor waren sieben Fälle bekannt. Etwa zehn Personen sollen sich an Ursula Raue gewandt haben. Die Rechtsanwältin ist Beauftragte des Jesuitenordens für Fälle von sexuellem Missbrauch. Einige Personen seien aber nicht selbst als Opfer betroffen.

Unklar blieb zunächst, ob es sich bei den Opfern um dieselben Personen handelt, die sich auch an Mertes gewandt hatten. Details nannte der Rektor nicht. Von sexueller Penetration sei ihm aber bisher nicht berichtet worden, erklärte er.

Am Freitag wurde außerdem bekannt, dass einige der Opfer trotz ihrer Erlebnisse ihre eigenen Kinder an das Elite-Gymnasium geschickt haben. Die Missbrauchsfälle sollen in den Jahren 1975 bis 1983 geschehen sein, die Betroffenen sind heute etwa 40 Jahre alt. Diese Eltern befänden sich jetzt in einem "schwerwiegenden Rollenkonflikt", sagte Pater Mertes.

Die mutmaßlichen Täter, zwei Jesuitenpatres, sind namentlich bekannt und stehen in Kontakt mit Raue. In den späten achtziger Jahren verließen die beschuldigten Patres das Kolleg. Aussagen der Opfer ließen auf einen Zusammenhang zwischen dem Missbrauch und ihrem Verlassen der Schule schließen, sagte Mertes.

Der Rektor bestätigte auch einen Bericht, demzufolge einer der beiden später in der Provinz in der Jugendarbeit tätig gewesen sein soll. In einem Bericht war von einem versuchten Mordanschlag eines ehemaligen Schülers auf diesen Pater die Rede. Der Attentäter habe sich später das Leben genommen. Über den Selbstmord wisse er nichts, erklärte Mertes.

© SZ vom 30.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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