Missachtung von Arbeitnehmerschutz bei Eternit:16 Jahre Haft für Hauptangeklagte im Asbest-Prozess

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"Historischer Prozess in der Geschichte der Arbeitssicherheit": Der frühere Eigentümer und ein Ex-Manager des Asbest-Herstellers Eternit sind in Turin zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Sie sollen in mehreren Fabriken des Unternehmens die Schutz- und Sicherheitsregeln missachtet haben - und damit für den Tod von etwa 3000 Menschen verantwortlich sein.

Hunderte Angehörige der Asbest-Opfer waren zur Urteilsverkündung gekommen: In Turin sind der frühere Eigentümer und ein Ex-Manager des Asbest-Herstellers Eternit zu jeweils 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht in der norditalienischen Stadt befand den Schweizer Milliardär Stephan Schmidheiny und den früheren belgischen Eternit-Manager Baron Jean-Louis de Cartier schuldig, für den Tod von etwa 3000 Menschen in Italien verantwortlich zu sein.

Gerechtigkeit für das "Eternit-Massaker" forderten die Angehörigen der Opfer vor dem Gericht in Turin. Die Frau, die dieses Schild hält, hat ihren Vater durch die Verletzung der Schutzbestimmungen in italienischen Fabriken des Asbest-Herstellers Eternit verloren. (Foto: AFP)

Die beiden waren eines "vorsätzlichen Desasters" angeklagt. Das Turiner Gericht sah es als erwiesen an, dass unter Führung von Schmidheiny und de Cartier in vier Eternit-Fabriken in Italien die Schutz- und Sicherheitsregeln missachtet worden waren. Die Asbest-Werke befanden sich in den Orten Casale Monferrato, Cavagnolo und Rubiera im Norden sowie in Bagnoli im Süden des Landes. Durch die Nichteinhaltung der Sicherheitsbestimmungen starben oder erkrankten an den betroffenen Standorten und umliegenden Ortschaften Tausende Arbeiter und Einwohner.

Die Angeklagten waren an keinem Prozesstag anwesend

Etwa 6000 frühere Angestellte, Anwohner und Angehörige von Opfern hatten auf Schadenersatz geklagt. Die Verteidigung hatte eine direkte Verantwortung ihrer Mandanten für die Todesfälle stets zurückgewiesen.

Das Urteil wurde in Abwesenheit der beiden Angeklagten verkündet, die dem kompletten Prozess ferngeblieben waren. Die Richter blieben mit dem Strafmaß unter der Forderung der Staatsanwaltschaft: Die hatte 20 Jahre Gefängnis für Schmidheiny und de Cartier gefordert. Staatsanwalt Raffaele Guariniello sprach vor der Urteilsverkündung von einem "historischen Prozess, dem weltweit größten in der Geschichte der Arbeitssicherheit".

Während drinnen das Urteil verkündet wurde, protestierten vor dem Turiner Gericht Menschen gegen die Eternit-Führungskräfte - und den italienischen Staat. Auf Transparenten forderten die Demonstranten die Inhaftierung des 64-jährigen Schweizer Milliardärs und warfen dem Staat Versagen vor. Der Sohn eines 1988 im Alter von 63 Jahren gestorbenen ehemaligen Arbeiters aus Casale Monferrato sagte, er hoffe, dass die Angeklagten "mindestens 30 Jahre" Gefängnis erhielten.

Der Prozess in Turin hatte nach mehr als fünfjährigen Ermittlungen im Dezember 2009 begonnen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um den größten Prozess, der jemals in der Auseinandersetzung mit der vermeintlichen Wunderfaser Asbest geführt wurde.

Die italienische Niederlassung von Eternit ging 1986 pleite - sechs Jahre, bevor Asbest in Italien verboten wurde. Wegen seiner hohen Hitzebeständigkeit und guten Isolationseigenschaften wurde vor allem Asbestzement lange in der Bauindustrie eingesetzt. Seit die großen Gesundheitsgefahren nachgewiesen sind, ist Asbest EU-weit verboten.

© Süddeutsche.de/AFP/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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