Miss Universe:Erste!

Lesezeit: 2 min

Die Französin Iris Mittenaere, Miss Universe 2016 und damit das erste Fräulein des Universums seit 1989, das aus Europa kommt. (Foto: Bullit Marquez/AP)

Man könnte meinen, es sei anachronistisch, sich barbieähnlich im Bikini einer Jury zu präsentieren. Doch es gibt immer noch Frauen, die Miss Universe werden wollen - gewonnen hat diesmal sogar eine angehende Zahnärztin.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Ach, was waren das für Zeiten, als man sich noch Schönheitswettbewerbe im Fernsehen anschaute. Mama und Papa rauchten morgens im Auto, mittags gab es Mettbrötchen und Eistee, und abends ging niemand zum Pilates. Wenn dann die per definitionem so perfekten Damen auf einem dieser Wettbewerbe mit Bikinis und Selbstbräuner-Aura aufliefen, war das zwar nicht zwangsläufig schön, aber immerhin nicht hundertprozentig langweilig. So viele Beine aus Kanada und so viele Brüste aus Kolumbien hatte man schließlich noch nicht so oft gesehen.

Jetzt, da 2017 unübersehbar angebrochen ist, hat der Internet-Durchschnittskonsument zwar schon alles Mögliche gesehen und beurteilt, was er niemals sehen und beurteilen wollte (darunter auch viele Brüste und viele Beine), die Mein-Po-mein-Bauch-meine-55-Kilo-Wettbewerbe gibt es aber immer noch. Erst am Montag wurde wieder eine Miss gewählt, Miss Universe, also eine echt relevante Miss; ein Titel, der jedoch nicht mit der Miss World oder der Miss Intercontinental zu verwechseln ist und auch schon von dem heutigen US-Präsidenten Donald Trump ausgerichtet wurde. Gewonnen hat in diesem Jahr die Französin Iris Mittenaere, 24, Studentin der Zahnmedizin. Nach dem Sieg über ihre 85 Konkurrentinnen sagte sie: "Frankreich und Europa haben so sehr eine Miss Universe gebraucht. Es ist so lange her, dass Europa eine Miss Universe hatte." Tatsache: Das letzte Mal gewann eine Europäerin anno 1989, es war eine Niederländerin. Nicht so Tatsache: Dass Europa völlig verzweifelt ist ob der aktuellen Miss-Lage.

Wer nicht so hübsch ist, ist heute ja irgendwie selbst schuld

Denn diese Welt da hinter und vor den Bildschirmen, sie ist ein großer, ebenso unsubtiler Schönheitswettbewerb. Sie quillt über vor retouchierten Missen und Mistern, von like und dislike, von Instagram-Posen, bei denen man oft nicht weiß, ob es sich um eine #personality oder doch eher einen #porno handelt. Jeder Tag ist ein Wettbewerb, jeder Follower ein potenzielles Jurymitglied. Kurze Google-Recherche dazu: Gibt man in die Suchmaske das Wort "bin" ein, kommt gleich nach dem ersten Vorschlag "bin laden" die Angstfrage: "Bin ich hübsch"? Und wer nicht so hübsch ist, hat heute ja irgendwie selbst schuld: Man hätte ja zum Pilates gehen können, man hätte sich besser ernähren können, man hätte diesen hübschen Filter über sein Gesicht legen können, ja: Man hätte sich mal mehr Mühe geben können. Schönheit wird nicht mehr als Geschenk angesehen, sondern als formbare Größe.

Natürlich, es mag im Jahr 2017 seltsam anmuten, sich als werdende Zahnärztin zu Dutzenden anderen barbieähnlichen Wesen zu gesellen und um einen analogen wie anachronistischen Titel zu wetteifern - den man wahrscheinlich nie wieder ganz los wird. Schaut man sich aber all die Eigenwerbung, die Kardashian-Hintern und die Männlichkeits-Symbolik in den angeblich so sozialen Netzwerken an, muss man den Missen dieses Universums eines lassen: Im Vergleich dazu sehen sie ziemlich echt aus.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: