London:Namenloses Glück

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Kate und William haben eine Tochter. Die Briten nehmen ihre Geburt einigermaßen gelassen zur Kenntnis. Das Warten geht aber trotzdem weiter: Noch weiß die Welt nicht, wie das Mädchen heißt.

Von Christian Zaschke, London

Der Tag nach der Geburt des jüngsten Mitglieds der britischen Königsfamilie war bestimmt von Spekulationen über den Namen des Kindes. Die Wettanbieter teilten mit, das meiste Geld sei auf Charlotte und Alice gewettet worden, Elizabeth liege gut im Rennen, Olivia wurden Außenseiterchancen eingeräumt. Die Eltern, Kate und William, äußerten sich zunächst nicht, und auch der Palast will vor Montag keine Mitteilung mehr machen, nachdem er am Samstagvormittag verkündet hatte, dass Kate um 8.34 Uhr eine gesunde Tochter zur Welt gebracht habe, die 3714 Gramm wiege. Mutter und Kind seien wohlauf, der Vater sei bei der Geburt dabei gewesen. Vielleicht, raunten manche der royalen Korrespondenten, die sich am Sonntag in Scharen vor dem Kensington Palace aufgebaut hatten, würde das Mädchen auch Diana heißen? Das wäre eine Reverenz an Williams Mutter, die 1997 bei einem Autounfall ums Leben kam.

Eine Schaulustige hält Babywache - ihre Freunde halten sie für verrückt

Das Neugeborene ist Nummer vier der britischen Thronfolge, nach den Prinzen Charles, William und George, der vor knapp zwei Jahren ebenfalls im St.-Mary's-Krankenhaus im Londoner Stadtteil Paddington zur Welt kam. Damals hatte sich besonders unter den Medien eine Hysterie ohne Beispiel entwickelt, wochenlang campierten Kamerateams aus aller Welt vor dem Krankenhaus und berichteten darüber, dass es noch nichts zu berichten gab. Mit Vorliebe filmten sie die in Union Jacks gewandeten Royalisten, die dort mit Fähnchen und Plakaten bewehrt auf Campingstühlen ausharrten. Wenn ihnen arg langweilig wurde, interviewten die Reporter sich gegenseitig.

Diesmal lief die royale Geburt vergleichsweise ruhig ab. Die Kamerateams bezogen erst spät ihre Positionen gegenüber dem privaten Lindo-Flügel des Krankenhauses, was auch daran lag, dass der Palast verfügt hatte, dass sich das bisweilen bizarre Spektakel von 2013 nicht wiederholen sollte. Lediglich eine Handvoll Royalisten bezog Wohnstatt auf dem Bürgersteig.

2013 war Großbritannien in den Tagen vor Georges Geburt in den Genuss einer veritablen Hitzewelle gekommen, was den Campierenden sehr zupass kam. In diesem Jahr mussten die Royalisten damit leben, dass die Londoner Nächte sehr, sehr kalt waren. "Es war hart", erzählte eine Frau aus Newcastle den Kamerateams, mit ihrer 14 Jahre alten Tochter hatte sie zwei Wochen lang Tag und Nacht Babywache gehalten. Die Tochter gab gut gelaunt zu Protokoll, ihre Freunde hielten sie für verrückt.

Um sechs Uhr morgens am Samstag waren Kate und William im Hospital angekommen, keine drei Stunden später war das Kind auf der Welt. Die Familie kündete davon traditionell mit einem Anschlag auf einer goldfarbenen Staffelei, die vor dem Buckingham Palace aufgestellt wurde. Zudem setzte sie die Welt etwas weniger traditionell via Twitter von der Geburt in Kenntnis. Gegen vier Uhr verließ William das Gebäude, er fuhr kurz nach Hause, um George abzuholen, damit dieser einen Blick auf seine Schwester werfen konnte. Sehr zur Freude der Fotografen und der Kameraleute winkte der 21 Monate alte Prinz, der auf dem Arm seines Vater thronte, der Menge bei seiner Ankunft am Krankenhaus durchaus huldvoll zu.

Die junge Familie zieht sich jetzt auf ihren Landsitz zurück

Gut zwei Stunden später zeigten sich Kate und William mit ihrer Tochter. Sie posierten eine Weile, das Kind trug Weiß und schlief. Fragen der Medien beantworteten sie nicht, sie lächelten freundlich und schwiegen. Die Geburt lag weniger als zehn Stunden zurück, dennoch wirkte Kate so entspannt, als sei sie soeben von einem Spaziergang im Park zurück. Anschließend fuhr die Familie zum Kensington Palace, wo sie sich in ihre Gemächer zurückzog. Dort empfingen die beiden am Sonntag allerlei Besuch, darunter Williams Vater Charles und Kates Mutter Carol. Einige Tage wird die junge Familie nun in London verbringen, bevor sie sich an ihren Landsitz Anmer Hall in Norfolk begibt. Diesen hatte das Paar zuletzt aufwendig renovieren lassen. Anfang Juli will William in Norfolk seine Arbeit als Rettungshubschrauber-Pilot wieder aufnehmen.

Bis die kleine Prinzessin erneut in der Öffentlichkeit zu sehen ist, dürfte eine Weile vergehen. Kate und William legen Wert auf ihr Privatleben, was von der Presse akzeptiert wird. Bei George hatte es drei Monate gedauert, bis er anlässlich seiner Taufe zum zweiten Mal öffentlich auftrat.

Am Samstagabend leuchteten zur Feier der Geburt mehrere Londoner Wahrzeichen in Rosa, darunter die Tower Bridge, das London Eye und die Brunnen am Trafalgar Square. Auf dem Funkturm blinkte in Leuchtbuchstaben: "It's a girl!" - es ist ein Mädchen. An diesem Montag wird die Prinzessin mit zwei Salutsalven geehrt. Im Hyde Park werden Soldaten der King's Troop Royal Horse Artillery um Punkt 14 Uhr 41 Kanonenschüsse abfeuern. Zur selben Zeit wird die Honourable Artillery Company die Geburt am Tower of London mit 62 Kanonenschüssen würdigen.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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