Als Sieghild zwei Jahre alt ist, wird bei ihr Diabetes diagnostiziert. An Weihnachten 2009, das Mädchen ist inzwischen vier Jahre alt, erbricht es Blut, hat extrem hohe Blutzuckerwerte. Doch erst als das Mädchen nachts aufhört zu atmen, kommt der Krankenwagen. Zu spät. Sieghild stirbt am 25. Dezember 2009 um 16 Uhr im Krankenhaus.
Nun hat das Landgericht Hannover die Eltern des Mädchens wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Sie hätten ihre Tochter nicht ausreichend mit Insulin versorgt und dadurch den Tod der Vierjährigen verursacht. Ins Gefängnis müssen der 32-Jährige und seine vier Jahre jüngere Frau aber nicht. Sie erhielten am Mittwoch je acht Monate Haft, die Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt
Obskure Heilmethoden
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Paar vorgeworfen, es habe sein Kind vom Insulin entwöhnen wollen und ihm stattdessen Rohkost gegeben. Der Anklage zufolge sollen die Eltern die Hormongabe bewusst reduziert haben, weil sie an die Heilsvorstellungen der "Neuen Germanischen Medizin" glaubten.
Antje und Baldur B. sind im Neonazi-Milieu aufgewachsen, ihre fünf Kinder tragen - wie die verstorbene Sieghild - altdeutsche Namen. Die Mutter wuchs in der vom rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger geleiteten "Artgemeinschaft" auf, der Vater war Mitglied in der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend". Vor Gericht bestritten sie allerdings, Neonazis zu sein.
Hinter der "Neuen Germanischen Medizin" steht der mehrfach verurteilte ehemalige Arzt Ryke Geerd Hamer. Mit seinen umstrittenen Heilmethoden für Krebspatienten war er bereits 1995 in die Schlagzeilen geraten. Die Mutter von Sieghild stand mit Hamer in Kontakt. "Dass man von Herrn Hamer nicht viel halten kann, steht außer Frage", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch bei der Urteilsbegründung. Das Paar habe es versäumt, die Therapie seine Tochter vernünftig medizinisch begleiten zu lassen.
Richter sieht Pflicht zum Handeln
Das Gericht kam allerdings zu dem Schluss, dass es keine Beweise dafür gebe, dass Antje und Baldur B. ihr Kind tatsächlich vom Insulin entwöhnen wollten. Sie sei zunächst knapp, aber ausreichend damit versorgt worden. "Dass sie liebende Eltern sind, die sich Sorgen gemacht haben, das stellt niemand in Frage", erklärte Rosenbusch weiter.
Der Richter betonte aber auch: Solange es um das eigene Leben gehe, sei es in Ordnung, alternative Heilmethoden auszuprobieren. "Sie können sich bei einem Kind aber nicht beliebig irrationalen Vorstellungen hingeben", sagte Rosenbusch. "Sie hatten eine Pflicht zum Handeln."