Kölner U-Bahnbau:Weiterer Pfusch entdeckt

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Beim Bau der Kölner U-Bahn sind neue Dokumentfälschungen ans Licht gekommen - genau ein Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs an derselben Stelle. Die Stadt gedenkt der Opfer der Katastrophe.

Beim Bau der Kölner U-Bahn sind weitere Verstöße gegen Vorschriften ans Licht gekommen. Die Aufzeichnungen über die aus dem Erdreich abgepumpten Sandanteile seien nicht gemäß den geltenden Regeln durchgeführt worden, bestätigte eine Sprecherin des NRW-Bauministeriums einen Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers.

Dem Zeitungsbericht zufolge hat es diese "inhaltlich unbefriedigenden" Aufzeichnungen bei den "Sandmengenmessungen" auch an der Baugrube Waidmarkt gegeben, wo vor einem Jahr das Stadtarchiv eingestürzt ist.

Ob es sich bei den Unregelmäßigkeiten in den Aufzeichnungen um Fälschungen handele, könne nicht gesagt werden, betonte die Sprecherin. Beim Kölner U-Bahn-Bau deutet inzwischen vieles darauf hin, dass an mehreren Baustellen vorgesehene Befestigungsanker nicht oder falsch eingebaut wurden. Die zugehörigen Bauprotokolle wurden vermutlich anschließend gefälscht.

"Massives kriminelles Verhalten"

Bauminister Lutz Lienenkämper (CDU) geht inzwischen davon aus, dass es sich um ein "massives kriminelles Verhalten mehrerer beteiligter Personen" handeln muss. Er will den Bauausschuss des Landtags am Donnerstag über den Stand der Untersuchungen informieren.

An der gefährdeten Baustelle Heumarkt hat sich die Lage entspannt. Die Betonierung einer Zwischendecke zur Stabilisierung der Grube stehe nicht mehr unter dem Druck eines steigenden Grundwasserpegels, teilten Stadt und Verkehrsbetriebe mit. Seit dem frühen Dienstagmorgen sei das Grundwasser nicht gestiegen. Da der Rheinpegel deutlich gefallen sei, erwarte die Hochwasserschutzzentrale auch einen Rückgang des Grundwasserstands.

Um 13.58 Uhr steht ganz Köln still

Ursprünglich sollte die Baugrube geflutet werden, um sie gegen das steigende Grundwasser zu stabilisieren. Die jetzt eingezogene Zwischendecke soll die Baugrube auch gegen größeres Hochwasser absichern.

Die Arbeiten an der U-Bahn-Grube am Waidmarkt gelten als Auslöser für den Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009. Damals waren zwei junge Männer unter den Trümmern gestorben. Bedeutende Archivgüter wurden verschüttet, auch angrenzende Häuser stürzten ein.

Am Jahrestag waren Hinterbliebene, Archiv-Mitarbeiter und betroffene Anwohner zu einer Gedenkfeier ins Historische Rathaus eingeladen. Um 13.58 Uhr, dem Zeitpunkt des Unglücks, legen alle Busse und Bahnen an den Haltestellen eine Gedenkpause von zwei Minuten ein.

Heinrich Bölls Sohn macht Stadt verantwortlich

Mehrere Initiativen haben zu Protestveranstaltungen aufgerufen. Sie kritisieren eine mangelhafte Aufklärung des Unglücks. Für den Abend war ein "Zug der Fassungslosigkeit" zur Unglücksstelle geplant.

Der Sohn von Schriftsteller Heinrich Böll, René Böll, hat unterdessen der Stadt Köln die Hauptschuld am Einsturz des Stadtarchivs vor einem Jahr gegeben. Sie habe den Bau der U-Bahn in Auftrag gegeben und organisiert, ihn jedoch nicht kontrolliert, sagte er dem Deutschlandradio Kultur. Bislang habe niemand die Verantwortung für das Geschehen übernommen. Zusammen mit anderen Kölner Kulturschaffenden überlege er, gegen die Stadt notfalls auch gerichtlich vorzugehen.

Noch immer habe er keinen Überblick darüber, wie viel durch den Einsturz aus dem Nachlass seines Vaters verloren gegangen sei. "Es sind wohl einige Teile gefunden worden, aber was konkret gefunden worden ist, wissen wir gar nicht", sagte Böll. Das Stadtarchiv sei derzeit vor allem damit beschäftigt, das Material zu retten.

Die genaue Ursache für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist trotz monatelanger Ermittlungen weiter unklar. Ein Zusammenhang zu den Pfuschereien, bei denen stabilisierende Eisenbügel nicht in ausreichender Zahl verbaut wurden, soll angeblich nicht bestehen. Ein Zivilprozess gegen die Stadt ist wegen des Einsturzes bereits anhängig: Drei Leihgeber fordern von der Stadt Köln die Herausgabe ihrer Archivalien und Schadenersatz. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts wird für den 16. März erwartet.

© dpa/APN/Reuters/AFP/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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