Kochen:Chefsache

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Alles gar? Sternekoch Oliver Röder (rechts) mit Xu Zhen Kai. (Foto: Sabine Fritsch)

Auch Diplomatie geht selbstverständlich durch den Magen. Aber muss der deutsche Sternekoch Oliver Röder gleich in eine asiatische Garküche in Singapur? Über eine besonders heiße Form der internationalen Völkerverständigung.

Von Arne Perras, Singapur

Oliver Röder schwitzt, und wie. Mit der Hitze vom Herd lernt jeder Koch zu leben, aber das hier? "Ist schon Wahnsinn, auf so engem Raum", sagt er. Vier bis fünf Quadratmeter, größer ist diese asiatische Garküche nicht. Und dann noch das schwarze Monster in der Ecke. "Das muss man beherrschen", sagt Röder, ein Sternekoch aus Euskirchen bei Bonn. Aber noch beherrscht Röder das Monster nicht.

Ein deutscher Sternekoch auf Erkundungstour an der Old Airport Road, Singapur. "Roast Paradise" heißt der Laden von Xu Zhen Kai, schwarze Shorts, grüne Gummistiefeln, jugendliches Gesicht. Das schwarze Monster in der Ecke ist sein Werkzeug, er befeuert es jeden Morgen. Jetzt serviert er sogenanntes Hawker Food.

"Diese Garmethoden", sagt Röder. "Geil." Und schon hat er einen Teller mit geröstetem Fleisch vor sich, er greift zu den Stäbchen und kostet. Dann nickt er: "Saftig, fein mariniert und auch ein bisschen fett." Muss ja auch sein. "Eine feine kleine Schweinerei." Und das alles für knapp drei Euro pro Portion.

Dass Röder sie kosten kann und später auch noch zusammen mit Kai kochen wird, geht auf eine Initiative deutscher und singapurischer Diplomaten zurück, die einen Kochaustausch anstoßen wollen. Kulinarische Begegnungen zum Ausbau der Beziehungen. Davon kann auch Tommy Koh viel erzählen, der sein Land früher bei den Vereinten Nationen vertreten hat und auf eine lange Karriere als Top-Diplomat zurückblickt. "Wenn ich Singapurer in den USA fragte, was sie eigentlich am meisten vermissten, dann sagten sie oft: unser Essen." Das ist für Deutsche kaum anders. Essen ist Teil der Identität. Aber es ist eben auch ein gutes Mittel, um Menschen an einen Tisch zu bekommen. "Essen überwindet Grenzen", sagt Koh. Ähnlich wie die Kunst. "Wir müssen die Herzen erreichen, nicht nur die Köpfe."

Einer, der zumindest das Herz von Sternekoch Oliver Röder erreicht, ist Xu Zhen Kai. Seine kleine Garküche findet man unter einem großen Dach mit verschiedensten anderen Küchen, die ganze kulinarische Palette von Singapur gibt es hier, so vielfältig und bunt wie der ethnische Mix im Vielvölkerstaat. Kai weiß, wie viel Glut und Hitze er braucht. Unten lodert die Holzkohle. Und wenn Kai den Deckel mit seinem Handschuh lüftet, blickt er in einen schwarzen, rauchigen Schlund, in dem ringsherum die saftigen Fleischstücke hängen. Drei bis vier Stunden lässt Kai den Schweinebauch in diesem Ofen garen, immer wieder wird er zwischendurch mariniert. Dann kommt das fertige "Char Siew" auf den Tisch. Acht Stücke, dazu eine feine Pflaumen-Soja-Sauce und eine Schale Reis. "So was hab ich noch nicht gesehen", sagt Oliver Röder. "Geschweige denn gegessen", sagt er.

Im Hinterhof brodelt der Ofen, der Botschafter nennt ihn "den Vulkan"

Abends lädt dann der deutsche Botscher in seine Residenz. "Was sie heute hier erleben, das ist Makan Diplomacy", sagt Ulrich Sante gleich zur Begrüßung. Makan ist malaiisch und heißt: Essen. Hawker-Koch Kai hat seinen Ofen zum ersten Mal aus seiner winzigen Garküche wegbewegt, auf einen Lkw geladen und im Hinterhof der Botschafterküche wieder befeuert. Der Botschafter nennt das Ungetüm ehrfurchtsvoll "den Vulkan".

Dann kochen Kai und Röder, der Garkoch und der Sternekoch, was beide jeweils am besten können: der eine sein saftiges "Char Siew", der andere deutsche Küche vom Feinsten. "Ich bin Traditionalist", sagt Röder, der mit seinem Restaurant "Landlust" vor fünf Jahren einen Michelin-Stern bekommen hat. Und er hat viele Ideen, wie man Tradition in Form neuer Gerichte neu aufleben lassen kann.

An diesem Abend serviert er knusprige Ochsenschwanz-Zigarren. Strudelteigröllchen mit Ragout gefüllt, die man in einer Apfel-Sellerie-Asche schwenkt. Das haben auch die Singapurer Food-Experten noch nicht gekostet. Und es ist jetzt wie bei jeder guten Party: Alle drängeln sich in der Küche zusammen, testen, diskutieren. "Makan Diplomacy".

Hausherr und Botschafter Ulrich Sante sieht zufrieden aus. Und womöglich ist das ja der Anfang einer ganzen Serie kulinarischer Begegnungen, die Singapur und Deutschland künftig organisieren. Sterne-Koch Oliver Röder muss bald wieder zurück, zurück nach Euskirchen, doch er weiß schon, was er jetzt braucht: "Ich besorge mir einen Ofen wie Kai und werde das mal mit Spareribs ausprobieren." Ein rauchendes Monster mit einem schwarzen Schlund.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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