Karneval:Merkelancholia

Eines der beliebtesten Motive für die Karnevalswagen ist in diesem Jahr Kanzlerin Angela Merkel.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Es ist nicht lange her, da wurde Köln gerne belächelt, zumindest in den versoffenen Tagen zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch. Doch "nach Köln" - diese Redewendung hat sich für die massiven Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht und die Diskussion über Angela Merkels Flüchtlingspolitik fest etabliert - ist alles anders. Ganz anders, ganz ernst, auch und vor allem an Karneval: doppelt so viel Polizei, Streetworker, eine Anlaufstelle für Frauen - und alle schauen auf diese Stadt.

Das Interesse fängt bei den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen an und reicht bis hin zu den Wagen für den Rosenmontagszug. Am Dienstag hat das Kölner Festkomitee die aktuellen Gefährte vorgestellt: Politiker, die Skandalmenschen des Vorjahres, Gentrifizierung. Und die Kanzlerin wird in gleich drei Ausführungen durch die Stadt getrieben. Auf einem Motiv beißt sie in eine Nuss (als Symbol für "die Flüchtlinge"), und klar, Wortspiel sei Dank, es bröckelt Zähne. Auf einem zweiten Wagen treibt Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras sie als Zeus vor sich her. Und dann ist da noch eine dritte Merkel, sie trägt eine Europa-Flagge mit nur einem Mitgliedsstern in der Hand. Der Titel: "Merkelancholia". Richtig verzweifelt sieht eine andere blonde Wagendame aus; die kölsche Symbolfigur "Mutter Colonia" weint, vor ihr liegt eine zerbrochene rosarote Brille. Ja, in diesem Jahr ist wirklich alles anders. Aber jetzt muss Köln erst einmal eine Woche feiern.

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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