JVA Remscheid:Tod im Knast - Fragen an die Ministerin

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Ein Mörder hat seine Freundin in der JVA Remscheid getötet - nicht der erste schwere Zwischenfall in einem NRW-Gefängnis. Die CDU-Justizministerin gerät unter Druck.

Sie vertraute dem verurteilten Mörder - und wurde selbst zum Opfer: Die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Remscheid in einem Besucherraum getötete Lebensgefährtin eines Häftlings weist Stich- und Kopfverletzungen sowie Würgemerkmale am Hals auf. Die genaue Todesursache sei wegen der laufenden Obduktion aber noch unklar, sagte Kriminaldirektor Tobias Clauer bei einer Pressekonferenz in Wuppertal.

Am Tatort, einer "Liebeszelle", entdeckten die Ermittler zwei Messer und einen Radmutternschlüssel. Der 50-jährige Häftling konnte die gefährlichen Gegenstände offenbar vom Wachpersonal unbemerkt in das Besucherzimmer schmuggeln. Er sei vor der Tat am Sonntag in dem Langzeit-Besuchsraum im Gegensatz zu seiner Lebensgefährtin nicht durchsucht worden - dies sei auch nicht üblich, räumte die Leiterin der JVA, Katja Grafweg, ein.

Der Mann war nach Angaben des Düsseldorfer Justizministeriums 1991 wegen sexuellen Missbrauchs und Mordes an einer Neunjährigen in Düsseldorf zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.

Am Sonntag tötete er dann seine 46-jährige Freundin während eines Besuchs aus noch unbekanntem Motiv. Danach versuchte er, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Sein Gesundheitszustand sei mittlerweile zwar stabil, doch bislang habe er nicht vernommen werden können, erklärte der Kriminaldirektor. Der Mann befindet sich derzeit in einem Justizvollzugskrankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft stufte die tödliche Attacke zunächst als Totschlag ein. Das Motiv für die Tat ist nach wie vor unklar.

Die Frau hatte ihren Lebensgefährten laut JVA bereits seit 2006 regelmäßig in den etwas privateren und wohnlicher eingerichteten Langzeit-Besuchsräumen getroffen.

Räumlichkeiten dieser Art gibt es seit mehr als 20 Jahren in nordrhein-westfälischen Gefängnissen. Zu Anfang hießen sie noch "Familienbegegnungsräume". Derzeit gibt es nach Angaben des NRW- Justizministeriums in zwölf Gefängnissen des Landes derartige Räume. Sie sollen den ungestörten Kontakt von Inhaftierten zu ihren Partnern ermöglichen. Auf diese Weise sollen die sozialen Beziehungen der Gefangenen während der Haftzeit unterstützt werden.

Vor einem Langzeitbesuch steht allerdings eine Zulassungsprüfung. Damit soll sichergestellt werden, dass die Besucher tatsächlich in enger sozialer Beziehung zu den Gefangenen stehen, um etwa Prostitution in den Räumen zu unterbinden. Außerdem werden Besucher und Gefangene vor und nach einem solchen Besuch besonders strengen Kontrollen unterzogen, um Waffen- und Drogenschmuggel auszuschließen.

Bislang gab es in Räumen dieser Art nach Justizangaben zwei Vorfälle: 1994 in Dortmund und 1999 in Werl. Dabei hätten jeweils Gefangene ihre Ehefrauen angegriffen, allerdings mit glimpflicherem Ausgang als in Remscheid.

Vor der Attacke am Sonntag ist der verurteilte Mörder nach Angaben der Remscheider JVA-Leiterin nicht auffällig gewesen. Der seit 1995 in der JVA Remscheid einsitzende Mann habe in den vergangenen Jahren eine positive Rolle innerhalb des Vollzugs gespielt, sagte Grafweg. So habe er zum Beispiel die Gefängnisbücherei betreut.

Den bisherigen Ermittlungen zufolge kontrollierte das Wachpersonal am Sonntag gegen 15.25 Uhr nach Ablauf der Besuchszeit den Raum, in dem sich der 50-Jährige und seine 46-jährige Freundin aufgehalten hatten. Sie fanden die Besucherin leblos vor; der Häftling war schwer verletzt. Ein Notarzt konnte nur noch den Tod der Frau feststellen.

Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) erklärte, sie sei bestürzt über die Bluttat. "Besonders tragisch ist, dass eine Frau, die einem Gefangenen Zuwendung und Halt geben wollte, durch dessen Hand getötet wurde", sagte die Politikerin. Ihr Mitgefühl gelte den Angehörigen der Frau, vor allem ihren Eltern und ihrem Kind.

Nach Bekanntwerden des Verbrechens hatte sich die Ministerin nach eigenen Angaben sofort zur JVA Remscheid begeben, um sich vor Ort über den Stand der Ermittlungen berichten zu lassen. "Das Geschehen muss rückhaltlos aufgeklärt werden", betonte die Ministerin. "Das sind wir dem Opfer und seinen Angehörigen schuldig. Und wir müssen gegebenenfalls Konsequenzen ziehen, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt", betonte sie.

In den vergangenen Jahren sorgten wiederholt Zwischenfälle in nordrhein-westfälischen Gefängnissen für Aufsehen.

2006, Siegburger Jugendgefängnis: Ein junger Häftling wurde von drei Mitgefangenen zwölf Stunden lang brutal misshandelt. Um einen Selbstmord vorzutäuschen, erhängen sie ihr 20 Jahre altes Opfer schließlich an einer Toilettentür.

In Aachen brachen im November vergangenen Jahres zwei Schwerverbrecher aus dem Gefängnis aus und wurden erst nach einer tagelangen Flucht quer durch Nordrhein-Westfalen gefasst.

Januar 2010, Münster: Zwei Häftlinge flohen durch ein vergittertes Oberlicht einer Toilette auf das Flachdach der Werkhalle des Gefängnisses. Von dort rutschten sie an einer Regenrinne herunter ins Freie. Nach einer Woche wurden die beiden Männer im Ruhrgebiet gefasst. Ministerin Müller-Piepenkötter ließ daraufhin die Sicherheitsvorkehrungen in allen Haftanstalten überprüfen.

Ebenfalls Januar 2010, Gefängnis Herford: Ein 17-Jähriger berichtete, von vier Mitgefangenen misshandelt worden zu sein. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an.

Die SPD im nordrhein-westfälischen Landtag fordert auch angesichts der Vielzahl von Fällen von der Justizministerin jetzt eine rückhaltlose Aufklärung über die Vorgänge im Remscheider Gefängnis.

Er frage sich, wie eine solche grausige Tat in einem nordrhein-westfälischen Gefängnis unbemerkt geschehen konnte, erklärte der SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. "Wo waren die Justizbeamten? Warum ist dem Opfer niemand zu Hilfe gekommen? Gab es keinen Alarmknopf im Besuchszimmer, keine Hilferufe des Opfers, die man hätte hören müssen?"

Der Rechtsausschuss des Landtags wird sich am Mittwoch mit dem Fall beschäftigen.

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