Frankfurt (Oder) (dpa/bb) - Der Rausschmiss von zwei Gästen durch einen Clubbesitzer in Frankfurt (Oder) im August 2018 endete mit einer Attacke auf die Diskothek „le frosch“, Verletzten und einer verunsicherten Oderstadt. Fünf Tatverdächtige wurden damals festgenommen. Seit Montag sitzen vier Männer auf der Anklagebank des Landgerichts Frankfurt (Oder), der fünfte Beteiligte wurde bereits im Jahr 2020 verurteilt. Für den Prozess sind bis Februar 2024 15 Verhandlungstage anberaumt, 45 Zeugen sollen befragt werden.
Zu Prozessbeginn wurde zunächst die Anklage verlesen. Die Staatsanwaltschaft wirft den vier syrischen Männern im Alter zwischen 25 und 27 Jahren unter anderem schweren Landfriedensbruch, Bedrohung und gefährliche Körperverletzung vor. Ein Hauptangeklagter ist zudem des versuchten Totschlags angeklagt. An diesem ersten Verhandlungstag schwiegen die vier Angeklagten zu den Tatvorwürfen, die ein vom Gericht hinzugezogener Dolmetscher übersetzte.
Staatsanwältin Ricarda Böhme schilderte aus Sicht der Anklage noch einmal die Geschehnisse vom 26. August 2018. Demnach sollen zwei der vier Angeklagten in der Diskothek in der Ziegelstraße mit zwei anderen Menschen aneinandergeraten sein. Nachdem der Club-Inhaber sie daraufhin vor die Tür gesetzt haben soll, soll einer der Angeklagten eine Gruppe von anderen Personen per Telefon verständigt haben, darunter auch die drei weiteren Angeklagten. Sein Ziel sei es gewesen, die aus seiner Sicht noch ausstehende Auseinandersetzung „für sich zu entscheiden“, so die Staatsanwältin.
Eine Gruppe von 10 bis 15 Personen - unter anderem bewaffnet mit Stangen und Messern - soll sich dann der Diskothek genähert haben. Die Gruppe um die Angeklagten soll schließlich Clubbesucherinnen und -besucher mit Steinen, Stangen, Messern und Gürteln angegriffen, geschlagen und getreten sowie auf Fenster und Türen der Diskothek eingeschlagen haben. Gäste versteckten sich vor der Gewalt teilweise unter parkenden Autos. Nachdem einer der Angeklagten mit einer Mülltonne die Scheibe der Eingangstür zerschlagen haben soll, soll ein weiterer Angeklagter mit einem Messer versucht haben, durch diese Tür hindurch auf dahinterstehende Personen einzustechen. Er habe dabei gerufen „Ich steche euch ab (...) ihr seid alle tot!“ Die vier Angeklagten im Saal verfolgten die Schilderungen aufmerksam.
Insgesamt sieben Verletzte vermeldete die Polizei wenige Stunden nach dem Überfall. Nach Aussage von Staatsanwältin Böhme wurden sie unter anderem durch fliegende Aschenbecher verletzt oder erlitten Schnittverletzungen. Club-Gäste berichteten nach der Attacke über Todesängste, die sie ausstanden, als sie sich verbarrikadierten, um sich vor den Angreifern zu schützen. Zuvor hatten Flüchtlinge im Sommer 2018 in der Innenstadt bereits andere Gewalt- und Drogen-Straftaten verübt. In der Oderstadt herrschte Verunsicherung.
Oberbürgermeister René Wilke (Die Linke) entschloss sich daraufhin zu einem harten Vorgehen. Er brachte gegen acht Straftäter sogenannte Ausweisungsverfahren auf den Weg. Drei Männer wurden ausgewiesen, zwei zogen weg aus der Stadt und gegen zwei läuft den Angaben nach das Verfahren noch. Sie sind im „Frosch“-Prozess angeklagt.
Die Lage in der Stadt sei 2018 zunehmend angespannter geworden, schilderte Sprecher Uwe Meier der Deutschen Presse-Agentur. Mit der Entscheidung für die Prüfung und Durchführung von Ausweisungsverfahren habe sich die Lage sofort und auf Jahre beruhigt. Aus Sicht der Stadt sei es damals gelungen, potenziell zu Straftaten neigenden geflüchteten Menschen aufzuzeigen, wo in der Stadt die Grenzen der Toleranz lägen. „Auch im Interesse der vierstelligen Zahl von Menschen mit Fluchthintergrund, die sich zu keiner Zeit etwas zuschulden kommen ließen und lassen“, betonte er.
Die Verteidigerin des 27 Jahre alten Hauptangeklagten, Désirée Schrade, sieht das anders. In einer sogenannten Eröffnungserklärung warf sie Stadtoberhaupt Wilke eine „eigene Dramaturgie“ der Geschehnisse vor. „Aus meiner Sicht hat er schon auch versucht, für seine Politik (...) klare Kante gegen Ausländer zu zeigen“, sagte Schade. „Die Superlative des Grauens wurden zur Tagesordnung.“ Sie erhoffe sich nun Aufklärung in dem Prozess und dass ihr Mandant zum „ersten Mal fair behandelt wird“.
Für sie sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen ihren Mandanten „überhaupt nicht haltbar“. Allein mit der Frage des Tötungsvorsatzes habe sich die Anklage nie beschäftigt, kritisierte die Rechtsanwältin. Die Verteidiger der anderen drei Angeklagten äußerten sich am ersten Verhandlungstag nicht.
Der Prozess sollte bereits im vergangenen Jahr beginnen. Der Termin fiel jedoch aus, weil der Vorsitzende Richter befangen war. Ein neuer Richter musste erst gefunden werden.
Ein fünfter syrischer Angeklagter wurde bereits im November 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Gericht hatte das Verfahren wegen der Pandemie abgetrennt und gesondert verhandelt.
© dpa-infocom, dpa:231001-99-404506/4