Brandenburger Tor:„Wind of Change“: Tausende feiern ins neue Jahr

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Vor dem Brandenburger Tor findet die ZDF-Silvester-Show statt. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Silvester ohne Corona vor dem Brandenburger Tor: Erstmals seit der Pandemie feiern die Menschen wieder ohne Beschränkungen ins neue Jahr. Für Feuerwehr und Polizei bedeutet das harte Arbeit.

Von Matthias Arnold und Jonathan Penschek, dpa

Berlin (dpa/bb) - Hunderte Menschen haben sich erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder vor dem Brandenburger Tor in den Armen gelegen, um sich ein frohes neues Jahr zu wünschen. Als Sänger Sasha und Kollegin Aura Dione auf der Bühne der ZDF-Silvesterparty um Mitternacht den Silvesterklassiker „Auld Lang Syne“ anstimmten, tanzten und feierten davor zahlreiche Touristen gemeinsam mit Einheimischen. Zuvor hatten bereits die Scorpions ihr „Wind of Change“ gespielt.

Übertönt wurde die Musik schon lange vor Mitternacht von zahllosen Böllern und Raketen, die auf der Straße des 17. Juni hinter dem Brandenburger Tor abgefeuert wurden. Ein offizielles Feuerwerk sollte es in diesem Jahr auf der ZDF-Veranstaltung unter dem Motto „Celebrate at the Gate“ eigentlich nicht geben. Doch Tausende Menschen, die es nicht auf den abgesperrten Bereich vor dem Tor geschafft hatten, hatten ihre eigenen Raketen - und ihre eigene Party - mitgebracht. Die Polizei musste eigenen Angaben zufolge einige Male einschreiten.

Die ZDF-Silvesterfeier am Brandenburger Tor war deutlich kleiner angelegt als in früheren Jahren. Die rund 2500 Karten für die Show waren alle vergriffen. Gekommen waren laut Polizei am Ende aber nur rund 1300 Menschen, die über Stunden friedlich und ausgelassen zu DJ Bobo, Sasha oder Laurell schunkelten und klatschten.

Willkommen geheißen wurden sie von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die im Wahlkampf vor den Wiederholungswahlen in Berlin auch am Brandenburger Tor vorbeischaute. „Wir freuen uns, dass die Stadt wieder voll ist, dass wieder Menschen zu uns kommen und dass Berlin wieder durchstartet nach der Pandemie“, sagte sie.

In den vergangenen beiden Jahren hatte es von der ZDF-Veranstaltung wegen der Corona-Krise nur eine Fernsehübertragung ohne Besucher gegeben. Auch anderswo in Berlin war der Wegfall der Corona-Beschränkungen deutlich spürbar. Clubs und Diskotheken hatten in diesem Jahr wieder geöffnet. Wohl auch deshalb strömten zum Jahreswechsel nach Angaben von Visit Berlin viele Touristen in die Hauptstadt. Die Hotels erwarteten eine 80- bis 90-prozentige Auslastung.

Viele Böller und Raketen waren zu sehen und hören. In den beiden Vorjahren durften sie nicht verkauft werden, um die Krankenhäuser in der Pandemie nicht noch weiter mit Notfällen zu überlasten. Zwar gab es auch dieses Silvester drei Verbotszonen in Berlin am Alexanderplatz, der JVA Moabit und in Schöneberg. Doch überall sonst war Feuerwerk ab 18.00 Uhr erlaubt. In der ganzen Hauptstadt wurde bereits schon tagsüber geböllert.

Feuerwehr und Polizei hatten deshalb in diesem Jahr wieder deutlich mehr zu tun - auch wenn ein Polizeisprecher von einer weitgehend übersichtlichen Einsatzlage im Laufe der Nacht sprach.

Allein seit Mitternacht war die Feuerwehr dem Sprecher zufolge zu Hunderten kleineren und größeren Bränden meist im Zusammenhang mit Pyrotechnik gerufen worden, darunter auch Wohnungs- und Balkonbrände. Zeitweise seien die Einsatzkräfte seit dem Ausrufen des „Ausnahmezustands Silvester“ bei 85 Notfällen gleichzeitig unterwegs gewesen.

Zudem gab es laut Polizei zahlreiche Angriffe auf Einsatzkräfte. Mindestens ein Feuerwehrmann sei dabei verletzt worden, sagte ein Sprecher. Die Zahl der Angriffe habe im Vergleich mit den Jahren vor der Corona-Krise deutlich zugenommen.

Schon vor Mitternacht hatten die Einsatzkräfte alle Hände voll zu tun: Die Feuerwehr zählte am Abend innerhalb einer Stunde mehr als 40 Brandeinsätze. Zu einem Großeinsatz kam es in der Urbanstraße in Kreuzberg. Rund 70 Kräfte bekämpften dort zwischenzeitlich einen Kellerbrand in einem siebengeschossigen Wohnhaus. Elf Menschen, zwei Katzen und ein Hund seien gerettet worden, teilte die Feuerwehr mit.

„7 weitere Personen wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht.“ Zwei Menschen seien ins Krankenhaus gekommen. Zur Schwere der Verletzungen und zur Brandursache wurde am späten Abend noch nichts bekannt. Nach einem Wohnungsbrand in der Lahnstraße in Neukölln musste laut einem Feuerwehrsprecher ein Mensch ins Krankenhaus. Inwiefern der starke Wind in der Silvesternacht die Situation erschwert und Brände begünstigt haben könnte, blieb zunächst unklar.

Auf Twitter informierte die Polizei im Minutentakt über ihre Einsätze. Die Beamten rückten aus wegen Schlägereien, Schüssen aus Schreckschusspistolen, Böller- und Raketenwürfen auf Passanten, Gebäude und Beamte.

Insbesondere nach Mitternacht habe die Einsatzdichte noch einmal zugenommen, sagte ein Polizeisprecher. Es habe Verletzte gegeben. In der Gropiusstadt hätten einige die Scheiben eines Geschäfts „weggeböllert“, ein Mitarbeiter sei verletzt worden, teilte die Polizei auf Twitter mit. Eintreffende Beamte seien mit Böllern „sprichwörtlich unter Beschuss genommen“ worden. Ein Beamter sei dabei ebenfalls verletzt worden. Andernorts berichtete die Polizei etwa von Flaschenwürfen auf die Beamten. Auch Rettungsdienste seien demnach angegriffen worden.

Im Stadtteil Tiergarten waren vier Menschen in den Zoo geklettert und mussten von den Beamten herausgeholt werden. In Altglienicke standen der Polizei zufolge drei Kinder vor der Tür ihres Nachbarn, weil sich die Eltern zu Hause so sehr gestritten haben sollen. Auch dorthin rückten die Beamten aus.

Die Feuerwehr war eigenen Angaben zufolge mit rund 1400 Kräfte im Einsatz, rund drei Mal so viele wie an anderen Tagen. Die Berliner Polizei hatte zum Jahreswechsel 1100 zusätzliche Kräfte angekündigt.

© dpa-infocom, dpa:230101-99-68677/5

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