Italien:Schande über die Carabinieri

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„Es schmerzt“: General Tullio Del Sette, Kommandant der Carabinieri. (Foto: imago)

In Florenz sollen zwei amerikanische Studentinnen vergewaltigt worden sein: von Polizisten im Dienst. Die Beamten sind schon suspendiert, der Ruf des so beliebten Korps aber ist schwer beschädigt.

Von Oliver Meiler, Rom

Das Korps der Carabinieri, Italiens beliebtester Polizei, heißt auch "la Benemerita", die Verdienstvolle. Sie trägt diesen Titel mit Stolz, er ist zum Synonym geworden. Nun aber haben zwei Beamte mutmaßlich so viel Schande über die Einheit gebracht, dass sie noch vor Abschluss der Ermittlungen vom Dienst suspendiert wurden, was sonst nie vorkommt.

Zwei amerikanische Studentinnen werfen den Beamten vor, sie hätten sie vergewaltigt. Im Dienst. Die jungen Frauen, die für ein Semester nach Florenz gekommen waren, 19 und 21 Jahre alt, hatten vergangene Woche einen Abend in einer angesagten Diskothek verbracht. Von der Terrasse des "Flò" am Piazzale Michelangelo sieht man die ganze Stadt von oben, die Kuppeln der Kirchen, die sanften Hügel rundherum. Drinnen soll es in jener Nacht zu Handgreiflichkeiten unter Gästen gekommen sein. Drei Patrouillen der Polizei schauten vorbei. Die beiden Carabinieri, 40 und 30, standen nach der Schlichtung noch eine Weile an der Bar, wo sie mit den beiden Amerikanerinnen ins Gespräch kamen. Die Frauen waren betrunken, eine hatte Hasch geraucht. Es war drei Uhr früh, freie Taxis gab es gerade keine, da boten die Beamten den Frauen an, sie mit dem Streifenwagen nach Hause zu begleiten. Die Studentinnen nahmen das Angebot an.

Die Kamera im Auto zeichnete die Fahrt auf. Danach fehlen zwanzig Minuten. Dem Untersuchungsrichter erzählten die Frauen, die Beamten hätten sie ins Haus begleitet und dort mit Gewalt zum Sex gezwungen - eine im Aufzug, die andere im Korridor. Geschrien hätten sie nicht, weil die Männer bewaffnet gewesen seien.

Die Meldung machte schnell große Schlagzeilen in Italien. Wahrscheinlich fielen sie umso größer aus, weil in den Wochen davor ein anderer Vergewaltigungsfall viel zu reden gegebenen hatte: Am Strand von Rimini hatten vier junge Männer ein polnisches Touristenpaar überfallen, den Mann geschlagen und festgehalten und dann die Frau missbraucht. Die Täter wurden bald gefunden. Zur Gruppe gehörten zwei minderjährige Marokkaner und ein 28-jähriger Asylsuchender aus Kongo. Der Fall rief die extreme Rechte auf den Plan, sie stellte das Verbrechen als direkte Folge der italienischen Migrationspolitik der vergangenen Jahre dar, als Illustration für politisches Versagen.

Nun also zwei Carabinieri, zwei Toskaner, zwei Mitglieder der "Benemerita". In italienischen Ämtern, an Tankstellen, in vielen privaten Haushalten hängt der Jahreskalender der Carabinieri mit Bildern der Herrschaften in ihren eng geschnittenen Uniformen, an Bord ihrer schnittigen Autos, so populär sind sie. Die Zeitung La Stampa fragte in ihrer satirischen Rubrik "La Jena" mit bitterer Ironie: "Sind wir denn ganz sicher, dass die Carabinieri Italiener und keine Immigranten waren?"

Der ältere der beiden Beamten meldete sich nach ein paar Tagen freiwillig bei den Ermittlern. Ihm sei nicht aufgefallen, dass die Frauen betrunken gewesen seien, sagte er. Und ja, sie hätten tatsächlich Sex gehabt, der sei aber einvernehmlich gewesen. Nun werten die Ermittler die Bilder aus dem Lokal aus. Zeugen erzählten, die jungen Damen seien so stark betrunken gewesen, dass sie kaum mehr hätten gerade gehen können. Aufschluss könnten auch die Aufnahmen aus dem Streifenwagen geben. In einigen Tagen sollen die Laboranalysen vorliegen. Die Spitze der Carabinieri schloss die beiden Männer aber schon einmal vom Dienst aus, als Versuch der Schadenbegrenzung. "Es schmerzt", sagte General Tullio Del Sette, der Kommandant des großen Korps, "dass das unmoralische Verhalten von wenigen das Werk von Hunderttausend besudelt."

Die beiden jungen Frauen wollen trotz allem in Florenz bleiben, damit sie den Ermittlern helfen können. Als sie ihr Semester in Italien antraten, erzählte ihr Anwalt, habe ihnen die Schulleitung geraten: "Traut niemandem außer den Polizisten und den Carabinieri." Nachträglich, fügte er an, höre sich die Warnung wie ein Paradox an.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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