Israel:Als Mönchsrobbe im Heiligen Land

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Julia Mitte Mai am Strand von Tel Aviv. In Israel hatte man zuletzt 2010 eine Mönchsrobbe gesichtet. (Foto: Ariel Schalit/AP)

Wie eine Robbe namens Julia im ewig aufgepeitschten Israel zu einer Ikone der Ruhe wurde.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Plötzlich war sie wieder da. Am Wochenende hat Julia den wunderschönen Palmachim Strand südlich von Tel Aviv aufgesucht. Kristallklares Wasser, weißer Sand, dahinter die Dünen - und natürlich sind alle gleich wieder begeistert gewesen, sie dort zu sehen. Denn Julia, die Mittelmeer-Mönchsrobbe, ist in Israel inzwischen zu einer Berühmtheit geworden, zu einer Ikone der Ruhe und Gelassenheit in einem ständig aufgepeitschten Land.

Als die rundliche Mönchsrobbe vor zehn Tagen zum ersten Mal aufgetaucht war an den Gestaden des Heiligen Landes, da rieben sich alle verwundert die Augen. Schließlich gehört sie zu einer seltenen und äußerst bedrohten Spezies, von der es schätzungsweise nur noch rund 700 Exemplare gibt. In Israel hatte man zuletzt 2010 eine Mönchsrobbe gesichtet, weiter draußen bei den Wellenbrechern in Herzlija. Doch Julia war tatsächlich an Land gegangen, am durchaus belebten Strand von Jaffa, der arabischen Vorstadt von Tel Aviv.

In Jaffa kennt man sich aus mit Meerestieren, dort war es, wo nach biblischer Überlieferung einst der Wal den zuvor verschlungenen Propheten Jona wieder an Land spuckte. Doch das ist lange her, und als nun das rund 1,80 Meter große Robbenweibchen dort strandete, konnte sich anfangs kaum jemand einen Reim darauf machen. Der Erste, der es sah, dachte an einen Delfin und informierte die Naturschutzbehörde. Als deren Vertreter eintrafen, mussten sie gleich eingreifen, weil ein paar Kinder mit Steinen warfen. Doch all das drehte sich schnell, als einer der Jungs einen Namen für das Tier auswählen durfte. Julias Weg in die Herzen der Israelis war geebnet.

Bei Julias Ankunft war das Land gerade wieder in größtem Aufruhr. Tagelang schon tobten die Kämpfe um Gaza. Israels Luftwaffe bombardierte dort Stellungen des Islamischen Dschihad, die palästinensischen Milizionäre feuerten mehr als 1400 Raketen auf Israel ab, und auch in Jaffa und Tel Aviv heulten die Alarmsirenen. Julia jedoch ließ sich davon nicht beeindrucken und legte sich im Sand für geschlagene 48 Stunden tiefenentspannt zur Ruhe. Den Waffenstillstand, der in dieser Zeit geschlossen wurde, hat sie schlicht verschlafen.

Julia war schon in der Türkei, in Griechenland und im Libanon

Für die Bewohner von Jaffa und weit darüber hinaus wurde die ruhende Robbe schnell zur Attraktion. Hinter der von den Naturschützern errichteten Absperrung stauten sich die Besucher. Rund um die Uhr wurde Julia von Kameras beobachtet, der staatliche TV-Sender Kan richtete schließlich einen Livestream ein.

Nach und nach wurde dann auch Biografisches aus Julias Vorleben zu Tage gefördert. Es meldeten sich Meeresforscher aus der Türkei, die sie an einer Narbenmusterung am Rücken identifizierten. Dort allerdings trägt Julia den Namen Tugra. Mehr als 20 Jahre ist sie demnach alt und bekannt als ausgesprochen reisefreudig und als ausdauernde Schwimmerin. In Griechenland ist sie schon gewesen und auch im Libanon.

In der südlichen Türkei, nahe Mersin, war sie zuletzt im März gesichtet worden. Kein Wunder also, dass sie müde war, als sie mehr als 500 Kilometer entfernt in Jaffa ankam. Fünf Tage blieb sie dort, ging zwischendurch auch mal zum Schwimmen und zur Nahrungsaufnahme ins Wasser, nutzte die Zeit, ihr Winterfell abzulegen - und war dann irgendwann zur großen Betrübnis der Beobachter verschwunden.

Nach ein paar Tagen aber tauchte sie wieder auf in Palmachim. Dort wurde es ihr schnell zu laut mit all den Menschen und auch Hunden, und kurz darauf legte sie an einem ruhigeren Strand ein Stück weit südlich einen Stopp ein. Vielleicht macht sie sich ja nun auch noch auf nach Gaza. Der palästinensische Küstenstreifen liegt nur noch gut 40 Kilometer weiter südlich. Um Mauern und Konflikte muss sich Julia als Robbe nicht scheren. Und die Menschen in dem von der Welt abgeschlossenen Gazastreifen würden sich gewiss auch erfreuen an ihrem Besuch und an ihrer Aura der Ruhe.

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