Israel:Sonnengott auf dem Meeresgrund

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Bronzestatuen, Münzen, Navigationsinstrumente: Israelische Taucher finden im Hafenbecken von Caesarea einen Schatz aus der Römerzeit. Die Fundstücke sind 1600 Jahre alt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Rund um den Hafen des antiken Caesarea an Israels Mittelemeerküste lässt sich der Odem der Geschichte ebenso einatmen wie die Ausdünstungen der Pizza-Buden. Die Ausgrabungsstätte samt angeschlossenem Freizeitpark zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen des Landes, und auch die anliegenden Küstengewässer sind reichlich frequentiert von Tauchern. Nun wurde in all diesem Trubel auch noch ein Schatz gefunden, der 1600 Jahre lang verborgen geblieben war: Bronzestatuen, Münzen und Seefahrtsinstrumente wurden aus einem römischen Schiffswrack geborgen. Die Experten der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) jubeln über den "bedeutendsten Fund seit 30 Jahren".

Zu verdanken ist diese Entdeckung den beiden Hobbytauchern Ofer Raanan und Ran Feinstein, die im April auf Erkundung im alten Hafenbecken gegangen waren. "Ich tauche hier fast jedes Wochenende", erzählte Raanan, "doch so etwas hatte ich noch nie gesehen." Erst eine, dann eine zweite kleine Statue ragten aus dem Sandboden - die beiden nahmen die Fundstücke mit nach oben und meldeten sich sogleich bei der Altertumsbehörde. Deren Taucher legten schließlich in den vergangenen Wochen die Überreste des Schiffs frei, hoben den Schatz und rekonstruierten die Geschichte.

Demnach handelt es sich um ein Handelsschiff aus spätrömischer Zeit, das beladen war mit Metallobjekten, die vom florierenden Hafen in Caesarea aus zur Wiederverwertung abtransportiert werden sollten. Doch offenbar geriet das Schiff schon an der Hafenausfahrt in starke Wellen, zerschellte an den Felsen und sank. Die Ladung wurde über die Jahrhunderte vom Sandboden zugedeckt und dabei so gut konserviert, dass sie auf die Archäologen wirkte, als sei sie "erst gestern hergestellt" worden. "Das Schiffsunglück hat sie vor dem Recycling bewahrt und für uns alle erhalten", stellte Jakob Scharvit von der IAA zufrieden fest.

Zu den Prunkstücken des Fundes zählen Abbildungen des römischen Sonnengottes Sol, der Mondgöttin Luna und eines afrikanischen Sklaven. Auskunft über den Geschmack der damaligen Zeit gewährt auch ein Wasserhahn in Form eines Wildschweins, dem zu allem Überfluss noch ein Schwan auf dem Kopf hockt. Neben einem alten Anker und Navigationsinstrumenten wurden zudem Tausende Münzen gefunden, die über die Jahrhunderte in ihren Aufbewahrungsbehältern zu zwei großen Klumpen zusammengeschweißt worden waren. Die Münzen zeigen den zu Beginn des 4. Jahrhunderts herrschenden Kaiser Konstantin den Großen sowie seinen Widersacher Licinius.

Aufgrund der langen und wechselvollen Geschichte des Landes sind spektakuläre archäologische Funde keine Seltenheit in Israel. Erst vor Kurzem stöberte ein siebenjähriger Junge eine 3500 Jahre alte Tonfigur aus kanaanitischer Zeit auf. Eine 55 000 Jahre alte Schädeldecke gab neulich Auskunft darüber, dass der Homo sapiens von Ostafrika aus über den Nahen Osten nach Europa gewandert war, und manche freuten sich auch arg über den Fund von Hühnerknochen im Süden Israels, die belegten, dass der Mensch schon vor fast 2500 Jahren als Geflügelzüchter aktiv war. Nicht selten wird die Archäologie vor allem rund um Jerusalem auch für die Politik in Dienst genommen - wenn es darum geht, die Existenzberechtigung des jüdischen Volkes im gelobten Land zu untermauern. Im altrömischen Caesarea allerdings sind die Funde weitgehend wertfrei, und vor allem ausgesprochen üppig.

Vor gut einem Jahr war dort bereits von Tauchern ein Goldschatz aus der Zeit der Fatimiden entdeckt worden, die in der Region vom 10. bis zum 12. Jahrhundert nach Christus herrschten. Die 2000 Münzen wogen zusammen neun Kilo. Dass der Meeresboden nun plötzlich so viele Geheimnisse preisgibt, hat nach Angaben der Archäologen zwei Gründe: Zum einen wird der Sandboden durch Stürme zunehmend aus dem alten Hafen gespült. Und zum anderen sind immer mehr Hobbytaucher unterwegs.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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