Es gibt Geschichten, die will man einfach glauben. Weil sie ein liebgewonnenes Vorurteil zu bestätigen scheinen (Isländer glauben an Elfen) oder, weil sie uns zu Weihnachten das bisschen Extra Romantik bieten, das wir uns nicht erlauben (Isländer glauben an Elfen). Am Sonntag meldete die Nachrichtenagentur AP, einen Elfen-Schutz-Gruppe habe in Island den Bau einer Straße erfolgreich gestoppt (Die eigentliche Nachricht: Isländer glauben an Elfen).
Etliche Medien griffen die Geschichte auf. Auch Süddeutsche.de berichtete: "Elfen-Lobby stoppt Bauprojekt". Daran ist vieles nicht ganz richtig: Das Bauprojekt wurde nicht gestoppt. Und schon gar nicht von der Elfen-Lobby.
Das haben etliche Isländer jetzt klargestellt. Nicht unbedingt, weil sie mit dem Bauprojekt oder mit dem Protest dagegen persönlich zu tun hätten. Sondern, weil sie sich völlig falsch dargestellt fühlen. Als bestaunenswerte Menschen nämlich, die an Elfen glauben.
"Die Geschichte ist falsch", schreibt der Journalist Benedikt Jóhannesson auf den Online-Seiten der Iceland Review. Und mutmaßt ein wenig ätzend: "Sie wurde wahrscheinlich von jemandem aufgeschrieben, der davon in einer Bar gehört hat. Oder ein freier Journalist, der versucht hat, vor Weihnachten noch ein bisschen Geld zu verdienen, hat über etwas geschrieben, das jeder gerne liest: über die Mischung aus Mythos und Wirklichkeit in einem seltsamen Volk am Rande der Zivilisation." Isländer glauben an Elfen, eben.
Tatsächlich, schreibt Jóhannesson, handle es sich bei den Lava-Freunden keineswegs um eine "Elfen-Lobby", sondern um eine Gruppe Naturschützer. Und der Bau sei im Übrigen auch überhaupt nicht gestoppt. Dem Nachrichtenportal The Wire zufolge hieß es im öffentlich-rechtlichen Sender RUV, Ragnhildur Jonsdottir - die von AP zitierte Elfenschützerin - sei keine repräsentative Quelle. Bei genauem Hinsehen hatte das AP allerdings auch nie behauptet. Jonsdottir, eine "selbsternannte 'Seherin' glaubt, sie könne mit den Wesen per Telepathie kommunizieren", heißt es da. Jonsdottir wird überhaupt nicht als Sprecherin der Bau-Gegner eingeführt. Weiter heißt es in dem Agenturbericht sogar: "Auch wenn die meisten Lava-Freunde vor allem von Sorge um die Umwelt motiviert sind, sehen sie die Elfen-Angelegenheit als Teil eines breiten Engagements für die Geschichte und Kultur einer sehr einzigartigen Landschaft."
In diese tiefgreifende Kultur-Analyse passen Jonsdottirs Ansichten eben besonders gut und so wurde mit dem Agenturbericht zumindest angedeutet, das Elfen-Medium spreche für alle Isländer (die an Elfen glauben). Was bei denen für reichlich Empörung sorgt.
Die englischsprachige isländische Nachrichtenseite The Grapevine verweist auf einen früheren Bericht über den Beweggrund der Baugegner: Den Erhalt eines geschützten Lava-Felds nämlich. Die Bloggerin Alda Sigmundsdóttir schrieb auf dem Facebook-Profil ihres Iceland Weather Report: "Das ehrliche Bemühen, ein wenig unberührte Natur zu schützen, wird als etwas Oberflächliches und Banales dargestellt. Argh."
Dass sich die Isländer ihren Humor trotz des Naturgeister-Klischees nicht nehmen lassen, zeigt das ironische Schlusswort in der Empörung des Journalisten Jóhannesson: "Fakt ist, dass wir in Island unseren Teil an Leuten haben, die Elfen sehen, und ein paar, die sagen, dass sie an ihre Existenz glauben, weil sie denken, dass das lustig ist. Nicht viele glauben an Trolle, und jeder, der jünger ist als sieben, glaubt an die Yule Lads (die isländischen Weihnachtsmänner, Anmerkung der Redaktion)."
Und wir alle haben die Geschichte von der Elfen-Lobby geglaubt.