Interview:"Ich hab' nix"

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Frankfurt fordert Gerechtigkeit für Eisenbahn-Reiner. Die Polizei hat dem Obdachlosen seine Eisenbahn abgenommen, weil eine Genehmigung zum Aufstellen fehlte.

Interview von Susanne Höll

Die Frankfurter nennen ihn "Eisenbahn-Reiner", er gehört zur Stadt wie Paulskirche und Messeturm. Reiner Schaad, 45, stammt aus Kelsterbach und lebt seit 2004 auf den Straßen Frankfurts. In der Fußgängerzone hat er immer eine selbstgebastelte Spielzeugeisenbahn dabei. Doch nun konfiszierte die Polizei das Kunstwerk.

SZ: Was ist denn mit Ihrer Bahn passiert?

Schaad: Letzte Woche hat die Stadtpolizei sie mitgenommen. Ich hatte keine Genehmigung.

Eine Genehmigung?

Wenn man Dinge auf der Straße ausstellt, braucht man eine Erlaubnis. Die kostet Geld. Ich hab' nix, ich leb' von Spenden.

Gab's schon früher Ärger deshalb?

Nein. Seit sieben Jahren stell' ich die Bahn hier vor der Liebfrauenkirche hin. Mit dem Hinweisschild "Nicht zu verkaufen". Die Kinder bleiben stehen und schauen sie gern an, Erwachsene auch. In der Weihnachtszeit schmücke ich sie.

Haben Sie nicht protestiert?

Ich wollte keinen Ärger machen. Ich bin friedlich, das wissen alle. Kein Alkohol mehr, keine Drogen.

Etliche Frankfurter sind über die Beschlagnahme empört.

Es hat mich überrascht, dass sich so viele für mich einsetzen. Auch zu mir sind Leute gekommen und sagten: "Das ist eine Sauerei. Lass dich nicht unterkriegen." Journalisten kommen her. Man will auch filmen.

Und Sie wollen Ihre Bahn zurück?

Natürlich. Notfalls wäre ich auch zu einem Rechtsanwalt gegangen, der hilft über das Armenrecht. So wie es aussieht, muss ich da aber nicht hin.

Wie sieht es denn aus?

Ein Mann vom Bauamt war jetzt hier. Er hat gesagt, er bringt mir bald die Genehmigung. Kostenlos. Den Grund für diese Entscheidung kenne ich nicht, hat der Mann mir nicht gesagt. Wenn die Erlaubnis da ist, gehe ich sofort zur Stadtpolizei und hole meine Bahn wieder ab.

Und dann stellen Sie sie wieder auf, hier vor der Kirche?

Klar. Dann hab ich ja den Schein.

Ist Frankfurt gut für Obdachlose?

Eigentlich schon. Man kennt uns, wir saufen nicht und sind auch keine aggressiven Bettler. Man lässt uns in Frieden. Ich gehe hier nicht weg.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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