Hochhausbrand in London:May gesteht erstmals Fehler ein

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  • Die britische Premierministerin steht wegen ihres Umgangs mit der Brandkatastrophe im Grenfell Tower in London in der Kritik.
  • Jetzt hat sie Fehler beim Krisenmanagement eingestanden.
  • Die Behörden gehen inzwischen davon aus, dass 58 Menschen bei dem Unglück ums Leben gekommen sind.

Sie haben keine neuen Leichen aus dem ausgebrannten Hochhaus holen können an diesem Samstag. Die Arbeiten mussten unterbrochen werden, um die Sicherheit der Bergungsteams nicht zu gefährden. "Wir wollen keine weiteren Todesopfer", sagt Stuart Cundy. Drei Tage sind jetzt vergangen seit dem verheerenden Brand im Grenfell Tower im Londoner Stadtteil North Kensington. Cundy, Kommandant bei der London Metropolitan Police, steht am Nachmittag unweit des Hochhauses und muss sich erklären. Der Presse, die kritische Fragen stellt und den Angehörigen, die wissen wollen, warum die Bergungsarbeiten so langsam vorangehen und warum immer noch nicht feststeht, wie viele Menschen bei der Katastrophe ums Leben gekommen sind.

"Ich und meine Kollegen haben schon gesagt, dass es Wochen in Anspruch nehmen wird. Vielleicht dauert es noch länger. Aber ich verspreche den Familien, dass wir ihre Liebsten so bald wie irgend möglich aufspüren und bergen werden", sagt Cundy. Inzwischen geht die Polizei davon aus, dass 58 Menschen bei dem Unglück starben. Sicher bestätigt sind zwar erst 30 Opfer, aber man müsse davon ausgehen, dass auch die anderen 28 Personen tot seien, so Cundy. Es sei aber auch möglich, dass sich einige der Vermissten in Sicherheit befinden, sich aber noch nicht bei den Behörden gemeldet hätten.

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Die britische Premier traf sich mit Betroffenen des Hochhausbrands in London. Unterdessen stürmen Menschen das Bürgermeisteramt im Stadtteil Kensington und fordern Gerechtigkeit.

Die Polizei warnte schon am Freitag, dass manche Leichen möglicherweise nie identifiziert werden können. Nur 15 Tote haben man bisher aus dem Gebäude bergen können. Eine Person sei im Krankenhaus gestorben. 19 weitere Menschen würden noch in Kliniken behandelt, zehn von ihnen seien in einem kritischen Zustand, so der Polizei-Kommandant.

Das Feuer war in der Nacht zu Mittwoch ausgebrochen und hatte sich über die Fassade rasend schnell ausgebreitet. Viele Bewohner wurden im Schlaf überrascht. In dem Hochhaus mit 120 Appartements, einem Sozialwohnungsprojekt, lebten etwa 600 Menschen. Eine Gruppe von Mietern hatte seit Jahren vor der Feuergefahr im Gebäude gewarnt.

Premierministerin Theresa May, die sich nach dem Unglück heftiger Kritik an ihrem Krisenmanagement ausgesetzt sah, hat inzwischen zugegeben, dass die Hilfe für die Opfer nach dem Unglück nicht ausreichend gewesen sei. Zwar hätten Feuerwehr und Ärzte gut gearbeitet, aber gerade in den ersten Stunden sei es für die Bewohner schwierig gewesen, an Informationen zu kommen. Das Feuer sei eine "unfassbare Tragödie für die Nachbarschaft, in der das Hochhaus steht und für unser Land insgesamt", sagte May.

Die Regierungschefin traf sich am Samstag an ihrem Amtssitz mit Überlebenden, Helfern und Lokalpolitikern. Ein Sprecher der Gruppe sagte, bei dem zweieinhalbstündigen Treffen seien der Regierungschefin die Forderungen der Betroffenen überbracht worden. "Ich habe die Kritik verstanden und ich habe alles in die Wege geleitet, um den Angehörigen der Opfer und den Überlebenden zu helfen", sagte sie.

Vor den Toren der Downing Street, wo May residiert, versammelten sich währenddessen Hunderte Demonstranten. Auch in Kensington hatte es am Freitag Proteste gegeben. Der Groll der Anwohner und der Hinterbliebenen richtet sich zum einen gegen die örtlichen Behörden, denen vorgeworfen wird, Missstände in dem Hochhaus ignoriert zu haben. Der Premierministerin - nach der für sie unglücklichen Unterhauswahl ohnehin unter Druck - wird angelastet, zu kühl reagiert und sich nach der Katastrophe zunächst nicht mit Opfern getroffen zu haben. In einem TV-Interview am Freitagabend wich sie Fragen dazu aus.

Queen macht eine gute Figur

Ihr Umgang mit der Brandkatastrophe wirkt auch deshalb so unglücklich, weil daneben Queen Elizabeth eine souveräne Figur abgibt. Zusammen mit ihrem Enkel Prince William besuchte sie am Freitag Helfer und Anwohner am Grenfell Tower. Während der Parade anlässlich ihres 91. Geburtstags hielt sie am Samstag eine Schweigeminute für die Opfer ab. "Wenn das Vereinigte Königreich auf die Probe gestellt wird, zeigt es sich entschlossen angesichts des Unglücks, sagte die Königin.

Die Regierung hat unterdessen einen Hilfsfonds in Höhe von fünf Millionen Pfund (etwa 5,75 Millionen Euro) für die dringendsten Bedürfnisse der nun obdachlosen Hochhausbewohner freigegeben. Die ehemaligen Bewohner des Towers sind derzeit in Notunterkünften untergebracht. May hat außerdem angeordnet, dass alle Hochhäuser im Land auf Brandschutzmängel untersucht werden.

Eine Untersuchungskommission werde daran arbeiten, die Katastrophe aufzuklären. "Die Kommission wird direkt an mich berichten und ich werde dafür verantwortlich sein, dass ihre Vorschläge umgesetzt werden."

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