Hells-Angels-Prozess in Kiel:Ex-Rocker muss vier Jahre ins Gefängnis

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Ein Kieler Ex-Rocker belastet seine früheren Komplizen und Hintermänner vor Gericht schwer, um für sich selbst eine milde Strafe herauszuholen. Nun hat das Landgericht den Mann zu vier Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Damit gingen die Richter über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus.

An den Verhandlungstagen trug er im Gerichtssaal eine kugelsichere Weste, dazwischen hielt er sich an einem geheimen Ort auf. Der Angeklagte, der früher "Kugelblitz" genannt wurde, hat das denkbar schlimmste Verbrechen begangen - zumindest in den Augen krimineller Rocker: Hochverrat.

Der Prozess gegen einen Ex-Rocker vor dem Kieler Landgericht fand unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. (Foto: dpa)

In seinem Prozess vor dem Kieler Landgericht hat er ausgepackt über die Machenschaften der Hells Angels, im Norden und deutschlandweit. Der 40-Jährige, angeklagt wegen Erpressung, Zuhälterei und gefährlicher Körperverletzung, erhoffte sich davon Hafterleichterung. Nun haben die Richter ihr Urteil gegen den Mann gesprochen: Er muss für vier Jahre und vier Monate ins Gefängnis

Damit ging das Gericht über das Plädoyer der Staatsanwaltschaft hinaus. Die Anklage hatte sich für eine vierjährige Haftstrafe ausgesprochen. Die Forderung nach diesem vergleichsweise milden Strafmaß begründete Oberstaatsanwalt Alexander Ostrowski damit, dass der Angeklagte sich vom gewalttätigen Rockermilieu gelöst und mit seinen Aussagen Mitglieder der Rockerbande Hells Angels belastet habe. Damit habe er sich und seine Familie selbst in Lebensgefahr gebracht. Allerdings muss der Angeklagte zwei zusätzliche Jahre im Gefängnis verbringen, weil die Bewährung einer früheren Strafe widerrufen wurde.

Die Anwälte der beiden Nebenklägerinnen, zwei ehemalige Prostituierte, die der Angeklagte brutal drangsalierte, hatten ein deutlich höheres Strafmaß geforderrt.

Der Mann, der sich selbst "Imperator" nennt, war früher Chef der inzwischen aufgelösten Legion 81, einer Hilfstruppe der Hells Angels. Die Vereinigung unterstützte die Rockerbande nach Angaben des Angeklagten im Drogen- und Waffengeschäft, bei Prostitution, Schutzgelderpressungen und Gewaltdelikten.

Auch aufgrund der Angaben des Angeklagten konnte die Polizei mit 1200 Beamten vor einigen Wochen den bisher größten Schlag gegen die kriminelle Rockerszene im Norden landen.

Doch die Aussagen des Mannes sind von deutschlandweiter Relevanz: Die Hells Angels funktionierten wie ein Franchise-Unternehmen, sagte der Angeklagte in der vergangenen Woche vor Gericht. Man dürfe den Namen führen und die Kutte tragen, aber dafür gebe es strikte Vorgaben, zum Beispiel wem man einen "Hausbesuch" abstattet ("Das heißt in unserer Sprache, dass auf jemanden geschossen oder die Kniescheibe kaputtgehauen wird"). Vor allem aber: wer getötet werden soll.

Diese Vorgaben kämen stets von oben, sagte der Angeklagte aus, genauer: aus Hannover, vom dortigen Hells-Angels-Chef Frank Hanebuth. Ihn hat der Kronzeuge schwer belastet. Hanebuth sei über Gewalttaten anderer Ortsgruppen - "Chapter" - nicht nur informiert gewesen, sondern habe diese zum Teil auch in Auftrag gegeben. Die Aussage widerspricht allen bisherigen Beteuerungen der Rocker, dass es keine bundesweite Struktur der Organisation gebe.

Hanebuth selbst soll den Mord an einem Kieler Türken angeordnet haben. Der Mann wird seit zwei Jahren vermisst; seit dem 24. Mai sucht die Polizei nach dessen Leiche in einer Lagerhalle - bislang ohne Erfolg. Nun soll die Halle komplett demontiert werden. Bei der bisherigen Spurensuche wurden zahlreiche Betonteile aus dem Boden entfernt, was Auswirkungen auf die Statik hatte.

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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