Geständnis eines Kieler Ex-Rockers:"Kugelblitz" packt aus

Seine Leiche soll einbetoniert worden sein: Seit fast einer Woche sucht die Polizei in Kiel nach den Überresten eines vermissten Türken. Der entscheidende Hinweis kam offenbar von einem Ex-Rocker. "Kugelblitz", früher Chef einer Hells-Angels-Hilfstruppe, hat ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Sie nannten ihn "Imperator" oder "Kugelblitz". Das klingt fast ehrfürchtig. Doch jetzt begeht der Ex-Rocker aus der Kieler Szene Hochverrat: Er packt aus, spricht über angeblich geplante Auftragsmorde und eine mutmaßlich einbetonierte Leiche. Mithilfe der Behörden ist der Kronzeuge untergetaucht.

Hells Angels in Kiel

Die Kieler Hells Angels sind längst verboten.Die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt in fast 200 Verfahren gegen 69 Beschuldigte. Bei einer Großrazzia im Norden sollte in der vergangenen Woche vor allem Beweismaterial sichergestellt werden.

(Foto: dpa)

Der 40 Jahre alte Mann war früher "Präsident" der Legion 81, einer inzwischen aufgelösten Hilfstruppe der Hells Angels. Seine Aussage könnte der Kieler Zweigstelle des Rockerclubs gefährlich werden. Sein Verteidiger informierte an diesem Mittwoch die Öffentlichkeit über das Geständnis seines Mandanten.

Der Ex-Rocker soll so zum Beispiel entscheidende Hinweise im Fall eines vermissten Türken gegeben haben. Seit zwei Jahren wird er vermisst, seit fast einer Woche sucht die schleswig-holsteinische Polizei in einer Lagerhalle in Altenholz bei Kiel nach seiner Leiche. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll er von Hells Angels gefoltert, erschossen und dann im Boden der Lagerhalle einbetoniert worden sein.

Der Ex-Rocker habe auch über weitere angebliche geplante Auftragsmorde und diverse andere Straftaten der Hells Angels berichtet, sagte der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft schweigt über das angebliche Geständnis ebenso wie über den Kronzeugen. Zu laufenden Ermittlungen gebe es keine Stellungnahmen, hieß es knapp.

Sein Mandant sei Hauptbelastungszeuge und deshalb im Zeugenschutzprogramm an einem geheimen Ort untergebracht, berichtete der Verteidiger. Er selbst könne nur über Mittelsmänner Kontakt zu ihm aufnehmen. Mit seinem Geständnis bringt sich der Kronzeuge selbst in Gefahr. Denn bei den straff organisierten Rockern gilt ein "Ehrenkodex", nicht über Straftaten zu berichten oder andere zu belasten.

Vor Großrazzia aus dem Gefängnis in Sicherheit gebracht

Der Jurist schilderte, wie die Behörden den Mann aus Sicherheitsgründen aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster weggebracht hätten, bevor die Großrazzia begann. Am vergangenen Donnerstag durchsuchten 1200 Polizisten 89 Bordelle, Kneipen und Wohnungen, vor allem in der Kieler Region.

Bei der Razzia ließ die Staatsanwaltschaft fünf führende Mitglieder der verbotenen Kieler Hells Angels verhaften, es wurden diverse Kartons mit möglichem Beweismaterial beschlagnahmt. Beamte begannen damit, die fragliche Lagerhalle zu durchsuchen.

Welchen Wert das konfiszierte Material und die Aussagen von "Imperator" für künftige oder laufende Strafverfahren haben werden, ist noch nicht absehbar. Es geht allein für die Kieler Staatsanwaltschaft im Bereich der Rockerkriminalität um fast 200 Ermittlungsverfahren gegen 69 Beschuldigte.

Bei der Polizeiaktion am vergangenen Mittwoch stürmten Einsatzkräfte zudem das Anwesen des hannoverschen Hells Angels-Präsidenten Frank Hanebuth. Hanebuth, der sich nach der Razzia als Opfer darstellte, spielt nach Aussage des "Imperators" offenbar eine zentrale Rolle im Rockermilieu: Besonders gewichtige Aufträge hätten nur mit seiner Billigung ausgeführt werden dürfen, soll der Kronzeuge ausgesagt haben.

Seit 2009 kämpft im Norden eine Soko "Rocker" wegen Waffenhandels, Drogendelikte, Menschenhandels, Zuhälterei, Erpressung und schwere Körperverletzung im Rockermilieu. Mit Erfolg: Die Vereine der Hells Angels Flensburg und Kiel wurden ebenso verboten wie die Bandidos in Neumünster. Ähnliche Maßnahmen gab es in anderen Bundesländern, erst an diesem Mittwoch verbot Berlin die dort ansässige Hells-Angels-Gang. Bei Bottrop in Nordrhein-Westfalen war am Vortag ein Mitglied der Bandidos erschossen worden, der schärfsten Konkurrenten der Hells Angels. Ein bundesweites Verbot der Hells Angels ist allerdings nicht in Sicht: Das könne es aus rechtlichen Gründen nicht geben, sondern stets nur Verbote einzelner örtlicher Vereine, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Kiel.

"Imperator" dürften eigene Interessen indes wichtiger sein als die Verbrechensbekämpfung des Staates. Als Kronzeuge kann er selber mit Strafmilderung und Zeugenschutz auch in Zukunft rechnen. An diesem Donnerstag geht der Prozess gegen den Ex-Rocker vor dem Kieler Landgericht weiter. Der Angeklagte ist unter anderem wegen Menschenhandels, Zuhälterei und schwerer Körperverletzung angeklagt.

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