Haar-Raub in Venezuela:Zopfgeldjäger

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Soweit die Haarpracht reicht: Auch bei der Wahl zur Miss Venezuela geht nichts ohne lange Haare. (Foto: REUTERS)

Frauen mit langen Haaren leben gefährlich in Venezuela. Dreiste Diebe überfallen Langhaarige und schneiden ihnen auf offener Straße die Haarpracht ab. Ein Geschäft, das sich lohnt. Denn der Schwarzmarkt für Echthaar blüht.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Eliana Leal ging vom Einkaufen nach Hause, als die Haardiebe kamen. Mehrere Männer drückten die 32 Jahre alte Frau in ihrer venezolanischen Heimatstadt Maracaibo gegen eine Hauswand und versuchten zunächst, ihren dunklen Pferdeschwanz mit einer zerschlagenen Flasche abzuschneiden. Die Scherbe war offenbar zu stumpf, doch dann kam eine Schere zum Einsatz. Eliana Leal schrie.

"Willst du, dass ich dich umbringe?", fragte einer der Gauner. "Helft mir, sie haben mich überfallen, sie haben meine Haare gestohlen", rief das Opfer, als die Attacke vorbei war, eine Passantin brachte sie nach Hause. "Mami", fragte ihr Sohn, "warum haben sie das mit dir gemacht?"

Unersättliche Nachfrage nach Haarteilen

Der Raub von langem Haar ist in Städten wie Maracaibo oder Caracas zu einer Gefahr geworden, weil sich die Beute lohnt. Hübsches Material für Perücken oder Haarverlängerungen bringt auf dem Schwarzmarkt zwischen 1500 und 40.000 Bolívares, das sind je nach Kurs bis zu 5000 Euro. Die Nachfrage ist gewaltig, die Töchter der südamerikanischen Nation lieben Mähnen, die ihnen oft bis auf die Schultern fallen.

Laut der Zeitung Últimas Noticias benützen 98 Prozent der Teilnehmerinnen von Schönheitswettbewerben wie Miss Venezuela oder Reality Shows fremdes Zusatzmaterial für ihre Frisur. Auch in Kolumbien, Brasilien, Argentinien, China oder den USA werden Überfälle auf die Haarpracht gemeldet, und ein besonders üppiges Geschäft macht die Branche wohl in Indien. Aber in Venezuela wird das Problem nun zum Politikum.

Präsident Nicolás Maduro bat die Polizei kürzlich um "harte Hand gegen die Mafia, die den Frauen die Haare schneidet. Die Mädchen sind heilig". Dies sei "ein psychologischer Krieg", angezettelt von "Medien der Bourgeoisie" und "Feinden des Vaterlandes", klagte Maduro, Nachfolger des verstorbenen Hugo Chávez. Pirañas werden die Täter genannt, wie die Raubfische, in Maracaibo suchen die Fahnder nach einem gewissen "Randy".

Bis zu zwölf Jahren Gefängnis sind vorgesehen, Juristen vergleichen die Übergriffe mit Vergewaltigungen. Der Verkauf von Naturhaar an Friseursalons soll stärker kontrolliert werden. Immer mehr Frauen in Venezuela binden sich vorsichtshalber einen Dutt - oder lassen sich die Haare vom Friseur abschneiden.

© SZ vom 20.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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