Gerichtsverfahren gegen Paralympics-Star:Freilassung von Pistorius wühlt Südafrika auf

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Dass Oscar Pistorius gegen Kaution frei kommt, löst Empörung aus. Manche in Südafrika fürchten angesichts der Behördenschlamperei einen weltweiten Imageschaden. Andere glauben an eine Justiz mit rassistischen Vorurteilen.

Der Zorn in der Stimme des Richters war nicht zu überhören. Die Polizei habe "grobe Fehler" begangen, eine Pistolenkugel in der Toilettenschüssel übersehen und Beweismaterial nicht sichergestellt. Richter Desmond Nair ließ kaum einen Zweifel daran, dass er den mordverdächtigen Paralympics-Stars Oscar Pistorius vor allem deshalb gegen Kaution freilasse, weil die Polizei schlampig gearbeitet habe.

Daher habe auch die Staatsanwaltschaft nicht hinreichend belegen können, dass der 26-Jährige seine Freundin Reeva Steenkamp vorsätzlich ermordet habe. Also müsse der behinderte Profisportler aus der Haft entlassen werden.

Für den weltberühmten Angeklagten, der während der zweistündigen Erklärung des Richters immer wieder weinte und schluchzte, gab es am Freitag eine kaum noch erwartete Wende. Allerdings weiß Pistorius, dass seine Haftentlassung in Südafrika auch für Unverständnis sorgen wird.

Viele sind schon jetzt empört und bitter enttäuscht, wie Behörden und Polizei mit dem als "Blade Runner" bekannten Sportler umgehen: "Pistorius wurde mit Samthandschuhen angefasst, von den Behörden und den Medien, weil er ein privilegierter, reicher, weißer Südafrikaner ist", sagte der angesehene Kolumnist Rapule Tabane von der Wochenzeitung Mail & Guardian. "Viel zu oft haben wir in Südafrika gesehen, dass Geld und gute Anwälte die Waagschalen der Justiz beeinflussen", sagte Tabane.

Privilegien von Anfang an

In der Tat können viele Südafrikaner nicht verstehen, wieso Pistorius von Anfang an Privilegien genoss. Er musste trotz Mordverdachts nicht ins Untersuchungsgefängnis, sondern wurde in einem Polizeirevier untergebracht, wo ihn ständig Freunde und Familie besuchen konnten. Im Polizeifahrzeug zum Gericht saß der Angeklagte nicht wie üblich auf dem Rücksitz, sondern auf dem Beifahrersitz. Anderen blühe in solchen Fällen "der gewöhnliche Schrecken der südafrikanischen Gefängnisse", sagte Tabane.

Einen Rassenhintergrund stellte auch der Kolumnist Niren Tolsi her: Die große Angst vor Gewalt sei bei weißen Südafrikanern ein äußerst beliebtes Dauerthema. Dabei zeigten doch Untersuchungen, dass in der Mehrheit Schwarze Opfer von Verbrechen sind - wenngleich meist von schwarzen Kriminellen verübt. Und der Autor schlug den großen Bogen von Kolonialismus und Apartheid zur Gegenwart: "Seit 1652 nutzen Weiße ihre Feuerwaffen, um ihren Besitz und ihre Frauen vor den schwarzen Eingeborenen zu schützen."

In Südafrika wächst aber auch die Befürchtung, dass die noch junge Demokratie wegen des Falles weltweit an Ansehen verlieren könnte. "Die Marke Südafrika hat wegen der demonstrierten Inkompetenz der Polizei Schaden genommen", kommentierte die Zeitung Business Day. Die Pistorius-Anhörung habe demonstriert, wie "chaotisch die Justiz" sei und welchen Einfluss das Engagement eines Staranwalts hat.

Das Misstrauen seiner Landsleute wird Pistorius belasten

Der Sportler hat vor dem Gericht einen Sieg errungen, aber ihm stehen dennoch schwere Zeiten bevor. Eine Ikone wird er kaum bleiben können. Auch das Misstrauen seiner Landsleute wird ihn belasten. Wenige glauben, dass jemand spät nachts auf den Balkon geht, dann ein Geräusch im Bad hört, zu seinem Bett zurückkehrt, dort die Pistole ergreift und dann im Bad auf die verschlossene Toilettentür schießt - ohne ein einziges Mal zu schauen oder zu fragen, wo sich denn seine Freundin zu diesem Zeitpunkt befindet.

Alles schon sehr unwahrscheinlich, meinte auch der Richter skeptisch. Er betonte auch, dass seine Entscheidung in keiner Weise eine Vorentscheidung über Schuld oder Unschuld sei. Die spektakuläre Geschichte um die tödlichen Schüsse am Valentinstag im Hause des Sportlers scheint gerade erst begonnen zu haben.

© Süddeutsche.de/Laszio Trankovits(dpa)/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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