Geiselnehmer im Supermarkt in Paris:Wer war Amedy Coulibaly?

Lesezeit: 3 Min.

Amedy Coulibaly, der Supermarkt-Geiselnehmer, ist tot. Jetzt zeigt sich, wie eng seine Verbindungen zu den Charlie-Hebdo-Attentätern waren. (Foto: AP)
  • Er ist der dritte Mann der Terroristen-Gruppe, die Frankreich drei Tage lang in Schock versetzte: Amedy Coulibaly. Er soll die Geiselnahme im Supermarkt mit beiden Tätern abgesprochen haben, die das tödliche Attentat auf das Satiremagazin Charlie Hebdo verübt haben.
  • Zwischen Coulibaly und Chérif Kouachi gibt es Medienberichten zufolge schon seit Jahren Verbindungen. Beide sollen zur Islamistengruppe "Buttes-Chaumont" gehören.
  • Unklar ist, inwieweit Hayat Boumeddiene, die mutmaßliche Freundin Coulibalys, an den Taten beteiligt ist.

Von Oliver Klasen

Gegen 13.30 Uhr betritt Amedy Coulibaly einen koscheren Supermarkt an der Porte de Vincennes im Osten von Paris. "Ihr wisst, wer ich bin", ruft er, als er in den Laden stürmt. Auch wenn nicht allen Kunden sofort klar gewesen sein dürfte, dass sie es mit demselben Mann zu tun haben, der am Tag zuvor südlich von Paris eine Polizistin erschossen hat. Es besteht kein Zweifel, dieser Mann ist extrem gefährlich.

Coulibaly nimmt alle Kunden, darunter auch Kinder, als Geiseln und verschanzt sich mit ihnen im Supermarkt. Die Polizei zieht rund um das Gebäude Eliteeinheiten und Spezialeinsatzkommandos zusammen. Zwischenzeitlich gibt es Meldungen über Tote im Supermarkt, der am Sabbat von vielen jüdischen Kunden besucht war. Nach fünf Stunden stürmt die Polizei das Gebäude. Am Ende sind vier Geiseln und Coulibaly tot.

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+++ Französische Staatsanwaltschaft bestätigt Kouachi-Brüder und Coulibaly als Täter +++ Diese kannten sich offenbar gut, Hunderte Telefonate +++ Al-Qaida beansprucht Anschlag auf Satiremagazin für sich +++ Nach den Polizei-Einsätzen am frühen Abend sind alle drei Attentäter tot, ebenso vier Geiseln +++

Den Zugriff der Polizei wurde offenbar durch einen glücklichen Umstand erleichtert: Der Nachrichtenagentur AFP zufolge konnten die Einsatzkräfte live mithören. Der Attentäter soll ein Telefon nicht richtig aufgelegt haben, nachdem er einen Verwandten angerufen hatte. So wussten die Ermittler, was vor sich ging - und konnten auf den richtigen Moment warten. Als sie Gebete hörten, entschieden sie sich, die Geiselnahme zu beenden.

Amedy Coulibaly - wer war dieser Mann?

Doch wer war dieser Amedy Coulibaly? Und in welcher Verbindung stand der 32-Jährige zu den Brüdern Chérif und Saïd Kouachi, den Attentätern, die zwei Tage zuvor die Räume der Satire-Zeitung Charlie Hebdo gestürmt und zwölf Menschen getötet haben? Und welche Rolle spielt Hayat Boumeddiene, die angebliche Partnerin von Coulibaly, nach der die Polizei nach wie vor fahndet?

Dass es tatsächlich eine Verbindung gibt, kristallisiert sich im Laufe des Tages immer mehr heraus. Coulibaly und Chérif Kouachi sollen sich vor Jahren im Gefängnis kennengelernt haben und nach ihrer Entlassung spätestens seit 2010 Anhänger des Terroristen Djamal Beghal gewesen sein.

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Die Polizei sucht nach den Attentätern von Paris. Saïd Kouachi - der ältere der beiden tatverdächtigen Brüder - soll von al-Qaida ausgebildet worden sein. Einem Medienbericht zufolge war einer der Verdächtigen im vergangenen Jahr in Syrien.

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Alle sollen Verbindungen zum islamistischen Ring "Buttes-Chaumont" gehabt haben - eine Terrorgruppe, die sich nach einem Stadtpark im 19. Pariser Bezirk benannte, wo sie sich regelmäßig traf. "Buttes-Chaumont" schickte Dschihadisten zum Kampf gegen die US-Truppen in den Irak. Außerdem arbeitete die Gruppe wohl daran, einen anderen Terroristen aus dem Gefängnis zu befreien. Gegen Chérif Kouachi wurde in dieser Sache ermittelt, doch am Ende konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Coulibaly dagegen wurde 2013 zu einer Haftstrafe verurteilt.

Wie eng die Kouachi-Brüder und Coulibaly aber beim Anschlag auf Charlie Hebdo zusammengearbeitet haben, wird erst nach deren Tod klar. Der TV-Sender BFMTV veröffentlichte Tonaufnahmen von einem Telefongespräch mit dem Geiselnehmer, das die Journalisten etwa gegen 15 Uhr mit Coulibaly geführt haben. Er sei von al-Qaida im Jemen missioniert worden und gehöre jetzt der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) an. Außerdem sei seine Tat Teil eines größeren Plans, den er gemeinsam mit Chérif und Saïd Kouachi abgestimmt habe. "Ihr Charlie Hebdo, ich die Polizei", soll Coulibaly am Vorabend des Attentats auf die Satire-Zeitschrift gesagt haben.

Rolle der Freundin von Coulibaly noch unklar

Coulibaly, soviel ist schon während der Geiselnahme klar, ist ein Mann mit einer langen kriminellen Vergangenheit. Über seine Kindheit in der Kleinstadt Grigny südlich von Paris ist wenig bekannt, Coulibaly ist französischer Staatsbürger, geboren in Juvisy-sur-Orge bei Paris; er wuchs als einziger Sohn unter zehn Geschwistern auf. Wie die französische Zeitung Libération schreibt, ist er schon als 18-Jährger wegen schweren Diebstahls zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

In den Jahren danach folgten weitere Verurteilungen wegen etlicher Straftaten. 2002 Schwerer Raub und Hehlerei, 2004 Beteiligung an einem bewaffnetem Raubüberfall auf eine Bank. 2005: wieder schwerer Diebstahl. 2007: Drogenhandel. Zwischenzeitlich arbeitet Coulibaly bei Coca-Cola und trifft, wie Le Monde berichtet, dabei sogar den damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der die Produktionsstätte einmal besucht. Aber seine Berufslaufbahn endet und er radikalisiert sich immer stärker.

Während die Biografie und die Tatbeteiligung von Coulibaly gut dokumentiert scheint, ist derzeit noch völlig unklar, inwieweit Hayat Boumeddiene in die Terroranschläge involviert ist. Anders als Medien zunächst berichteten, soll die Frau jedoch nicht bei der Geiselnahme in dem Supermarkt vor Ort gewesen sein. Die Polizei fahndet nach ihr.

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