Gasversorgung:Knall im Knotenpunkt

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Die Explosion in Baumgarten nahe der slowakischen Grenze war so gewaltig, dass der Rauch noch im 30 Kilometer entfernten Wien zu sehen war. (Foto: Tomas Hulik/AFP)

In Österreich explodiert eine der wichtigsten Gasanlagen Europas, ein Arbeiter kommt zu Tode. Italien hat zwar noch Reserven, ruft aber vorsorglich den Energie-Notstand aus.

Von Markus Balser, Oliver Meiler

Die Druckwelle war groß, die Hitze gewaltig, als am Dienstagmorgen im niederösterreichischen Baumgarten eine Flamme in den Himmel schoss. Die Rauchwolke über einer der wichtigsten Gasanlagen Europas war noch bis ins 30 Kilometer entfernte Wien zu sehen. Nach Angaben von Rettungskräften kam ein Mensch ums Leben. Weitere 21 Personen seien bei der Detonation nahe der slowakischen Grenze verletzt worden, eine von ihnen schwer.

Das Feuer war am Mittag unter Kontrolle, die Hitze aber noch so groß, dass sich niemand der Anlage nähern durfte. Rettungskräfte erzählten von geschmolzenen Autos. Die Polizei vermutete einen technischen Defekt als Ursache, der Betreiber OMV schloss einen Terroranschlag aus.

Die Leitung nach Deutschland ist heil geblieben

Der Unfall hatte im Osten des Landes und in weiten Teilen Europas Konsequenzen. Vor allem Italien war fast vollständig von der Gasversorgung abgeschnitten. Die Regierung sah sich gezwungen, den Notstand bei der Energieversorgung auszurufen. Wirtschaftsminister Carlo Calenda warnte vor einem "ernsten Problem". Die täglichen Lieferungen seien urplötzlich von 114 Millionen auf 14 Millionen Kubikmeter Gas gesunken, teilte der örtliche Transporteur Snam Rete Gas mit. Dennoch seien die Lager stets so gefüllt, dass sie für einige Zeit den Bedarf decken könnten. Am Abend teilte der Betreiber mit, dass die Lieferungen um Mitternacht wieder aufgenommen werden könnten. Minister Calenda betonte, dass man nicht in diese missliche Situation gekommen wäre, wenn es die "Tap" gäbe - die Trans Adriatic Pipeline. Die geplante Leitung soll aserbaidschanisches Erdgas über die Adria nach Apulien am Stiefelabsatz und weiter in den Norden bringen. Das würde Italiens Abhängigkeit von russischem Gas markant verringern und nebenbei den Preis drücken. Doch der Widerstand von Umweltschützern, Globalisierungsgegnern und vom Gouverneur Apuliens ist groß: Wegen der Pipeline müssten Hunderte zum Teil uralte Olivenbäume gefällt oder verpflanzt werden.

Die Gasstation Baumgarten ist Österreichs größte Import- und Übernahmestelle für Erdgas aus Russland und eine Drehscheibe für die europäische Erdgasversorgung. Bis zu 50 Menschen arbeiten dort. Knapp 180 Milliarden Kubikmeter Gas lieferte der russische Rohstoffriese Gazprom im vergangenen Jahr nach Europa. Mit etwas mehr als 40 Milliarden Kubikmetern floss knapp ein Viertel davon über die Pipelines dieses Gasknotenpunkts. Nur ein kleiner Teil des Gases bleibt in Österreich. Mehr als 30 Milliarden Kubikmeter fließen weiter, vor allem nach Ungarn und Italien.

Deutschland war von dem Unfall direkt nicht betroffen, da die entsprechende Leitung unversehrt geblieben war. Der Großteil des in Deutschland genutzten Gases wird ohnehin über die Ostseepipeline Nord-Stream geliefert. Auch Österreich kann sich mit Lieferungen über den Westen des Landes und Energiespeichern stets einige Zeit selbst versorgen. In Moskau wurden dennoch alternative Routen für die Lieferungen gen Westen gesucht.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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