Fotografie:Glückstreffer

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Aus 45 000 Einsendungen wählte eine Fachjury die besten Fotografien aus der Tierwelt in 19 Kategorien aus. Ausgezeichnet wurde auch ein Hobbyfotograf aus München. Viele Fotos wirken allerdings zu fantastisch, um wahr zu sein.

Von Titus Arnu

Für das Goldstumpfnasenaffenporträtfoto wurde van Oosten in London mit der Auszeichnung "Wildlife Photographer of the Year" versehen. (Foto: Marsel van Oosten/Wildlife Photographer of the Year 2018)

Orangenfarbener Kopf, Mininase, kleine Glotzaugen, goldene Haarpracht: Die Hauptattribute des Goldstumpfnasenaffen erinnern, vom blauen Gesicht abgesehen, irgendwie an den Oberprimaten der USA. Allerdings ist Rhinopithecus roxellana qinlingensis, die in China beheimatete Unterart, deutlich bescheidener als Donald Trump. Die Primaten verbringen den Großteil des Tages damit, friedlich in Bäumen nach Blättern, Knospen, Samen, Rinde und Flechten zu suchen. Golf spielen sie praktisch nie, und sie geben auch keine Pressekonferenzen, in denen sie selbstherrlich daherreden.

Das spricht einerseits für den Goldstumpfnasenaffen, andererseits musste sich der niederländische Fotograf Marsel van Oosten etwas einfallen lassen, um die seltenen Tiere zu porträtieren. Van Oosten beobachtete 50 Affen in einer abgelegenen Bergregion, bis er ihre Gruppendynamik verstand. Es dauerte Wochen, bis seine Geduld mit einer idealen Situation belohnt wurde: Ein Männchen und ein Weibchen auf einer Lichtung, der Lichteinfall durch das Blätterdach der Bäume war perfekt.

Für das Goldstumpfnasenaffenporträtfoto wurde van Oosten in London mit dem bedeutendsten Preis seiner Branche belohnt, der Auszeichnung "Wildlife Photographer of the Year". Für die Jury ist das Foto ein Kunstwerk: "Es steht symbolisch für die Schönheit der Natur und dafür, wie viel ärmer unsere Welt wird, je mehr Natur uns verloren geht." Aus 45 000 Einsendungen wählte die Jury Preisträger in 19 Kategorien aus. Prämiert wurde zum Beispiel auch Julius Kramer, 30, ein Hobbyfotograf aus München. Für sein Bild "Kampf der Kätzchen", das zwei spielende Jungluchse zeigt, stellte Kramer mehrere Kamerafallen im Naturpark Oberer Bayerischer Wald auf. "Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, wenn man ihre Wege nicht kennt", sagt Kramer, der mit Wildbiologen zusammenarbeitete, die wussten, wo sich die Luchse ungefähr aufhalten. Fünf Kameras waren über Jahre fest im Wald installiert, im Schnitt rannte alle vier Wochen mal ein Luchs durch, das Foto war deshalb ein absoluter Glückstreffer.

Manche der Aufnahmen beim "Wildlife Photographer of the Year" sind so fantastisch, dass man sich fragt, ob sie echt sind. Die digitale Bildtechnik ist so hoch entwickelt, dass Manipulationen nur schwer aufzudecken sind. Auch Kramers Fotos sind bearbeitet, er hat Kontrast, Farben und Schatten optimiert - "aber sie seien "nicht manipuliert". Er wolle "keine Scheinwelten schaffen", sondern zeigen, wie sich die Tiere in der Natur verhalten und sie möglichst wenig beeinflussen. Aber das Fotografieren ist eine Beeinflussung, auch wenn man eine Kamerafalle benutzt. Die Luchse bemerkten die Box und das Blitzen, sie beschnupperten und markierten sie sogar, berichtet Kramer. Aber es sind immerhin echte wilde Luchse. Das scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein in der Branche. "Es gibt in Tschechien einen gezähmten Luchs, den man für Tierfotos mieten kann", sagt Kramer.

Nach dem letztjährigen Wettbewerb kamen bei der Jury Zweifel über ein prämiertes Bild auf. Mit der Aufnahme eines Ameisenbären, der sich an einem Termitenhügel zu schaffen macht, hatte Marcio Cabral beim Award die Kategorie "Tiere in ihrer Umgebung" gewonnen. Anfang dieses Jahres kamen Experten zu dem Schluss, dass es sich um eine Fälschung handelte und Cabral wurde der Preis nachträglich aberkannt: Offenbar war der Ameisenbär auf dem Foto ausgestopft.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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