Flutkatastrophe in Südbayern:Dämme an Iller und Loisach gebrochen

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Die Hochwasserlage im Süden Bayerns hat sich am Dienstag weiter dramatisch zugespitzt: In Eschenlohe und Kempten brachen Dämme, die die Wassermassen von Loisach und Iller im Flussbett halten sollten.

In Eschenlohe im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wurden die Evakuierungsaktionen auf beide Loisachufer ausgedehnt. Anwohner wurden mit Bundeswehr-Hubschraubern aus ihren Häusern gerettet, wie Landratsamtssprecher Albrecht Ott sagte. Die reißende Loisach drohte die einzige Brücke in dem Ort zu zerstören. "Da ist der Teufel los", sagte Ott.

Ein Helfer trägt am Dienstag in Garmisch-Partenkirchen Sandsäcke. (Foto: Foto: dpa)

Auf einer Länge von 50 Metern brach ein Damm. Hunderte Helfer versuchten mit Sandsäcken, die Fluten der Loisach einzudämmen. Auf den Straßen stand teilweise 20 Zentimeter hoch das Wasser. Bereits in der Nacht waren Teile des Ortes evakuiert worden.

Hauptstraße wird zum Kanal

In Garmisch selbst trat die Partnach im Ortsteil Partenkirchen über die Ufer. Die Hauptstraße wurde deshalb zu einem provisorischen Kanal erklärt, sagte der Sprecher. Für den gesamten Ort galt ein Fahrverbot, um den Weg für Rettungskräfte freizuhalten. Zahlreiche Ortsverbindungen und die Bahnlinie zwischen Murnau und Garmisch waren geschlossen.

Mehr als 1.000 Helfer waren im Dauereinsatz, die Behörden riefen die Bürger auf, sich freiwillig den Hilfsarbeiten anzuschließen. Selbst Rettungskräfte hatten Schwierigkeiten, nach Garmisch-Partenkirchen vorzudringen. In der ganzen Stadt wurde Fahrverbot verhängt. Das Hochwasser drohte auch das flussabwärts gelegene Farchant zu erreichen.

Garmisch von der Außenwelt abgeschnitten

Garmisch-Partenkirchen sei von der Außenwelt abgeschnitten, das öffentliche Leben sei zusammengebrochen, teilte die Polizei mit. "In Garmisch sind wir in einer Chaos-Phase", sagte Polizeisprecher Bernd Putzer.

In Kempten im Allgäu brach in einem südlichen Stadtteil der Damm der Iller und sorgte für Überflutungen, wie das Bayerische Rote Kreuz mitteilte. Wegen des Dammbruchs erwartet die örtliche Feuerwehr eine Überschwemmung der südlichen Ortshälfte Sonthofens bis zu knapp einem halben Meter.

Mit einer Zwangsevakuierung wurde begonnen. Die betroffenen Anwohner wurden über Lautsprecher aufgefordert, sich in die oberen Stockwerke ihrer Häuser zu begeben. In einem Haus wurden zwei Personen vom Wasser eingeschlossen. Sie wurden mit einem Polizeihubschrauber geborgen.

Wohnwagen weggeschwemmt

Auf einem überfluteten Campinplatz wurden Wohnwagen weggeschwemmt. Bei Sicherheitskontrollen an einer Brücke wurde ein Bahnbeamter vom Hochwasser eingeschlossen. Auch er musste mit dem Helikopter gerettet werden.

Höchste Alarmstufe herrscht in Kempten. Dort hat der Hochwasserpegel die äußerst kritische Marke von 6,38 Meter erreicht, rund 14 Zentimeter über dem Höchststand des verheerenden Pfingsthochwassers von 1999. Sollte der Pegel weiter ansteigen, droht eine Überflutung der Altstadt von Kempten. Die Folgen wären nach Expertenmeinung katastrophal.

Zahlreiche Bundes- und Kreisstraßen standen im Allgäu und Nordschwaben unter Wasser und wurden gesperrt.

Im Oberallgäu waren den Angaben zufolge hintere Tallagen nicht mehr erreichbar. Murenabgänge drohten. Am Morgen rettete die Wasserwacht per Boot vier vom Wasser eingeschlossene Personen in einem kleinen Weiler. Personenschäden wurden zunächst keine gemeldet. Auch die genaue Zahl der aus den Häusern geretteten Menschen war zunächst nicht bekannt.

Hunderte Keller voll gelaufen

Der Pegel der Iller stieg bei anhaltendem Regen auf 6,18 Meter und lag damit nur zwei Zentimeter unterhalb der kritischen Grenze. Zahlreiche Straßen waren wegen Überflutungen gesperrt. Hunderte Keller liefen voll.

Im Raum Garmisch war bereits am Montagabend nach anhaltenden Regenfällen Katastrophenalarm ausgelöst worden. Später wurde auch in Kempten, Augsburg, Penzberg im Landkreis Weilheim-Schongau sowie im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen Katastrophenalarm ausgelöst.

Autobahnbrücke droht einzustürzen

In Augsburg droht eine Autobahnbrücke einzustürzen. Die Autobahn A 8 München-Stuttgart wurde deshalb total gesperrt. Die Autobahn A 95 München-Garmisch war ab Sindelsdorf wegen Überflutung gesperrt.

Die Bahnlinien zwischen Kempten, Immenstadt, Oberstdorf und Oberstaufen wurden wegen Hochwasser- und Murengefahr geschlossen. Auch die Bahnverbindungen zwischen Weilheim und Dießen sowie von Murnau nach Oberammergau und Garmisch-Partenkirchen wurden eingestellt. Der Grenztunnel zwischen Füssen und Österreich wurde ebenfalls gesperrt.

Im Allgäu war neben Kempten und Sonthofen auch Immenstadt im Landkreis Oberallgäu betroffen. Die B 19 musste zwischen Martinszell und Immenstadt sowie zwischen Sonthofen und Oberstdorf gesperrt werden. Balderschwang an der Grenze zu Österreich war nach Murenabgängen völlig abgeschnitten. Das Kleine Walsertal war ebenfalls für den Verkehr gesperrt.

Wasser abgelassen

Menschen waren vorerst offenbar nicht verletzt worden. Durch das frühzeitige Ablassen von Wasser aus dem Forggensee, dem Grüntensee und dem Sylvensteinspeicher sei die Situation zunächst "moderater abgelaufen als befürchtet", hatte der Sprecher des Umweltministeriums, Roland Eichhorn, am Morgen noch berichtet.

Ministerpräsident Edmund Stoiber wollte sich zusammen mit Umweltminister Werner Schnappauf (beide CSU) am Nachmittag ein Bild von der Lage machen.

Teilweise fielen binnen 24 Stunden zwischen 100 und 150 Liter Regen pro Quadratmeter. Auf der Mindelheimer Hütte im Allgäu maß der Wetterdienst Meteomedia rekordverdächtige 217 Liter, in Oberstaufen waren es 148 Liter und in Garmisch-Partenkirchen 105 Liter.

Ende des Dauerregens in Sicht

Allerdings ist ein Ende des Dauerregens am Alpenrand in Sicht: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach sagte am Dienstag ein spürbares Abklingen der Niederschläge für den Abend und die Nacht voraus.

Am Mittwoch seien nur noch geringe Regenmengen zu erwarten, der Donnerstag werde überwiegend trocken.

Damit sollte sich die Hochwassersituation ab Wochenmitte allmählich entspannen, erklärte DWD-Meteorologe Ansgar Engel. Zwar seien am Freitag erneut Regenfälle am Alpenrand zu erwarten, jedoch seien die Mengen gering.

Nächstes Regengebiet naht

Auch nach dem Abflauen von Tief "Norbert" hält der Spätsommer allerdings weder in Bayern noch im übrigen Deutschland Einzug: Zwar sorgt laut DWD ein Zwischenhochkeil am Mittwoch in weiten Teilen des Landes für akzeptables Wetter, aber bereits in der Nacht zum Donnerstag soll im Nordwesten das nächste Regengebiet aufziehen, das bis Donnerstagabend das Wetter in weiten Landesteilen bis auf den Südosten bestimmen soll.

Auch am Wochenende soll das Wetter demnach wechselhaft bleiben, von Westen ziehen atlantische Tiefausläufer durch, die Regen und Schauer, aber auch freundliche Abschnitten bringen.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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