Flugzeugentführung 1977:Warum die "Landshut" nach Hause kommen soll

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Endstation, zumindest vorläufig: Die Landshut wechselte nach 1985 oft ihren Besitzer. Heute steht sie im brasilianischen Fortaleza. (Foto: Agencia EFE/imago)

Die Entführung der Lufthansa-Maschine nach Mogadischu hielt 1977 die Bundesrepublik in Atem. Der damalige Copilot und eine Stewardess waren unter den Geiseln. Sie wollen aus dem Flugzeug einen Erinnerungsort machen.

Von Joachim Käppner

Manche Erinnerungen sind lange schon verflogen oder in ein gnädiges Halbdunkel getaucht. Andere fühlen sich so nah an, als sei das alles gestern gewesen und nicht vor fast 40 Jahren in einem dunklen, stickigen und vor Dreck starrenden Flugzeug. Jürgen Vietor kann es noch hören, das leichte, kaum wahrnehmbare Kratzen, das an sein Ohr drang.

Wenige Minuten zuvor hatte er noch schweigend neben "Mahmud", dem Kopf der Entführer, im Cockpit gesessen und hinaus in die Dunkelheit von Mogadischu geschaut, über sich den Sternenhimmel einer afrikanischen Nacht, glitzernd, klar und unendlich fern von diesem Flugzeug, das still auf der Landebahn stand.

Jürgen Vietor, der Co-Pilot der "Landshut", und die am Bein verletzte Stewardess Gabriele Dillmann verließen als erste die am 18.10.1977 auf dem Frankfurter Rhein-Main Flughafen gelandete Lufthansa-Maschine "Köln". (Foto: picture-alliance / dpa)

Dann aber, sagt Vietor ruhig, "überkam mich plötzlich dieses Gefühl: geh hier weg, zurück nach hinten." Es war sein Glück. Nur Minuten später stürmte die GSG 9 die entführte Lufthansa-Maschine, die Landshut, erschoss drei der vier Terroristen und befreite die Geiseln. Es war der 18. Oktober 1977.

Der "Engel von Mogadischu" ist heute Künstlerin

Nur ein paar Sitze weiter saß die junge Stewardess Gabriele Dillmann, wegen ihrer Hilfsbereitschaft später als "Engel von Mogadischu" bezeichnet, was ihr nicht sehr recht sein wird. Zuvor hatten die vier Terroristen gedroht, das Flugzeug in die Luft zu sprengen und alle 86 Geiseln darin zu töten.

Die palästinensische Frau, welche die Geiseln heimlich "die Dicke" nannten, hatte Gabriele Dillmann und die Passagiere auf den Sitzen neben ihr mit Alkohol aus dem Duty-Free-Angebot der Boeing 737 überschüttet, auch den dreijährigen Jungen, die jüngste Geisel. Damit sie besser brennen, wenn "Mahmud" sie anzünden würde. Aber dann kamen die Retter.

Jürgen Vietor ist einfach weitergeflogen, sogar auf der Landshut, die im Dienst blieb. Gabriele Dillmann, heute von Lutzau, hat ihren Job als Stewardess sofort an den Nagel gehängt. Sie ist heute Künstlerin und schafft große, harmonische Objekte; sie nennt sie Seelenvögel oder Flügelfiguren oder Wächter.

Beide Zeitzeugen begrüßen die Idee, die Landshut heimzuholen nach Deutschland. Die wiederentdeckte Maschine steht als Wrack auf einem gesperrten Flugfeld in Fortaleza, Brasilien. Sie soll ein Erinnerungsort werden, finden beide, an den Terror des deutschen Herbstes 1977 und dessen Opfer. Nur wie und wann das geschehen kann, darüber streiten nun die Experten.

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