Flugzeugabsturz:Das Wunder von Mexiko

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Mitarbeiter des Roten Kreuzes versorgen Passagiere der verunglückten Maschine am Flughafen Durango. (Foto: dpa)

Beim Absturz eines Flugzeugs im Bundesstaat Durango überleben alle 103 Insassen. Das Land, das Katastrophen aller Art fast magisch anzuziehen scheint, wundert sich ausnahmsweise einmal über sein Glück im Unglück.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Die ersten Bilder von der Absturzstelle deuteten auf eine Katastrophe hin: Ein brennendes Flugzeugwrack auf einem Feld in Mexiko, dicke Rauchwolken, von 100 verunglückten Passagieren war die Rede. Es dauerte knapp zwei Stunden, bis José Aispuro, der Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Durango, ein kleines Wunder verkündete: "Es ist bestätigt, dass es keine Toten bei dem Unglück von Flug AM2431 gab."

Die Maschine der Fluggesellschaft Aeroméxico war am Dienstag gegen 15.30 Uhr Ortszeit von Durango in Richtung Mexiko-Stadt gestartet. Kurz nachdem sie die Rollbahn verlassen habe, sei sie von einer Windböe erfasst und nach unten gedrückt worden, teilte Aispuro am Abend mit. Eine Tragfläche habe den Boden gestreift. Dann sei das Flugzeug etwa 300 Meter weit "über ein Feld gerutscht" und in Flammen aufgegangen. An Bord waren 99 Passagiere, darunter elf Kinder und vier Mitglieder der Besatzung. Die meisten von ihnen kamen mit leichten Verletzungen davon. 80 Menschen wurden laut dem Gesundheitssekretariat von Durango zumindest vorübergehend ins Krankenhaus gebracht. Ein kleines Mädchen erlitt schwere Verbrennungen. Am schlimmsten erwischte es den Piloten Carlos Galván Mayrán, er musste an der Wirbelsäule operiert werden. Sein Zustand gilt aber als stabil. Einige Passagiere konnten direkt vom Unglücksort mit ihren Familienangehörigen nach Hause fahren.

Mexiko, das Land, das Katastrophen aller Art fast magisch anzuziehen scheint, wundert sich jetzt ausnahmsweise einmal über sein Glück im Unglück. Die Absturzstelle ist inzwischen weiträumig abgesperrt und wird von Experten untersucht. Aber in den Nachrichten laufen jetzt all diese Bilder eines verkohlten Wracks, Teile der Außenwand der Maschine des brasilianischen Herstellers Embraer sind bei dem Brand offenbar geschmolzen. Wie kann es sein, dass da 103 Menschen lebendig herauskommen? Die Passagierin Jacqueline Flores, 47, erzählte der mexikanischen Zeitung El Sol: "Wir spürten, dass die Flammen rasch kamen." Es habe stark nach Rauch gerochen, Gepäck sei durch den Gang gerutscht. Flores dachte zuerst, die Maschine sei zurück auf die Startbahn gefallen, weil der Aufprall so hart war: "Es gab ein Loch direkt neben uns, das Flugzeug war kaputt. Ich wusste, wir müssen springen."

Gouverneur Aispuro sagte, es seien Notrutschen aktiviert worden, bevor der Brand ausgebrochen sei. Die Passagiere hätten sich dann gegenseitig dabei geholfen, das Flugzeug umgehend durch die Löcher im Rumpf zu verlassen. Der Chef von Aeroméxico dankte der Crew für "ihre Professionalität" und lobte das Verhalten der Passagiere. Die Maschine sei in "perfektem Zustand" gewesen.

Laut der Website planecrashinfo.com, einem Forum für Interessierte von Flugzeugabstürzen, kommt es gar nicht einmal so selten vor, dass solche Bruchlandungen halbwegs glimpflich ausgehen. Unter der Rubrik "Jüngste Unfälle" findet sich dort neben der Aeroméxico-Maschine auch der Fall einer historischen Douglas C-47. Sie ging vor zehn Tagen im texanischen Burnet nach einem missglückten Start in Flammen auf. "An Bord: 13. Tote: 0", steht da.

Weltweit berühmt und später verfilmt wurde das sogenannte "Wunder vom Hudson". Es handelt von einem Airbus A320, der Anfang 2009 kurz nach dem Start am New Yorker Flughafen La Guardia in den eisigen Wellen des Hudson Rivers notlanden musste. Auch damals kamen alle 155 Insassen mit dem Schrecken beziehungsweise mit Unterkühlungen davon. Im August 2005 überlebten alle 309 Passagiere eines Air-France-Fluges eine missglückte Landung im kanadischen Toronto. Die Maschine war in einem schweren Gewitter über die Landebahn hinausgeschossen und hatte Feuer gefangen.

Zur offiziellen Unfallursache im mexikanischen Durango wollte der Gouverneur José Aispuro zunächst keine Angaben machen. Das werde noch ermittelt. Unmittelbar vor dem Absturz hatte er eine Unwetterwarnung der Zivilschutzbehörde wegen Sturm und schwerem Hagel veröffentlicht. Darin stand, Autofahrer sollten langsam fahren und Vollbremsungen vermeiden. Was da nicht stand: Bitte keine Flugzeugstarts!

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise beim "Wunder von Toronto" 2005 von einem Fehlstart gesprochen. Richtig ist, dass die Landung missglückte.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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