Fall Kalinka:Haft für entführten Mediziner

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Die Verzweiflungstat von Kalinkas Vater zahlt sich womöglich aus: Der Mann, den er für den Mörder seiner Tochter hält, wurde verhaftet. Er hatte ihn nach Frankreich entführen lassen. Deutschland hatte eine Auslieferung verweigert.

Der nach Frankreich entführte deutsche Arzt ist verhaftet worden. Ein französisches Gericht ordnete seine Inhaftierung an. Der 74-jährige Dieter K., der 1995 in Abwesenheit von einem Pariser Gericht zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, sitzt nun wegen des Todes seiner Stieftochter Kalinka Bamberski in Untersuchungshaft.

Sitzt jetzt in Frankreich in Haft: Dieter K. wird vorgeworfen, seine 14 Jahre alte Stieftochter vergewaltigt und getötet zu haben. (Foto: Foto: dpa)

"Ich habe mein Ziel erreicht", sagte der leibliche Vater des getöteten Mädchens, André Bamberski, der französischen Tageszeitung Le Parisien/Aujourd'hui en France. "Der Mörder meiner Tochter wird verurteilt werden." Er habe dreißig Jahre lang sein berufliches und privates Leben geopfert, um für Gerechtigkeit zu kämpfen, sagte Bamberski. Nun beginne "ein anderer Kampf".

Er hatte den deutschen Kardiologen, den er für den Mörder seiner Tochter hält, nach Frankreich entführen lassen. K. war am Sonntag gefesselt und geknebelt vor einem Gerichtsgebäude in Mülhausen im Elsass gefunden worden. Die deutschen Behörden hatten sich geweigert, den Mann an Frankreich auszuliefern.

Wie aus Justizkreisen verlautete, blieb der Mediziner aber vorerst im Krankenhaus. Bei seiner Entführung war er im Gesicht verletzt worden. Sein Anwalt hatte vorab angekündigt, er wolle dafür sorgen, dass sein Mandant freigelassen wird.

Der Jurist sagte, das in Frankreich gefällte Urteil gegen seinen Mandanten sei nicht gültig, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe es für unzulässig erklärt. Die französische Justiz betonte dagegen, der Haftbefehl der Anklagebehörde von 1993 gelte weiter, weil K. 1995 nicht zu seinem Prozess erschienen sei.

Dem Kardiologen wird vorgeworfen, seiner 14-jährigen Stieftochter Kalinka 1982 in Lindau am Bodensee eine tödliche Spritze verabreicht zu haben. Er wurde dafür zu 15 Jahren Haft verurteilt. K. musste seine Strafe aber nie antreten, weil Deutschland sich weigerte, den Mann an Frankreich auszuliefern. Ein Verfahren gegen ihn in Deutschland wurde eingestellt, weil sich die Todesursache nach Einschätzung der Justiz nicht klar nachwiesen ließ.

Der leibliche Vater von Kalinka, André Bamberski, gab zu, die Entführung des Mannes, den er für den Täter seiner Tochter hält, in Auftrag gegeben zu haben. Er ist davon überzeugt, dass der Arzt Kalinka ein Betäubungsmittel spritzte, um sie zu vergewaltigen. Die gerichtsmedizinische Untersuchung der Leiche habe der Arzt von einem befreundeten Kollegen machen lassen, um die Vergewaltigung zu vertuschen. Bei einer Exhumierung des Mädchens im Jahr 1985 habe sich herausgestellt, dass bei der Autopsie sämtliche Geschlechtsteile entfernt worden seien - und damit die Beweise für den Missbrauch seiner Tochter.

Wegen eines ähnlichen Vergehens wurde K. 1997 im Allgäu zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der Arzt hatte eine 16 Jahre alte Patientin mit Beruhigungsmitteln wehrlos gemacht und sie vergewaltigt. Er verlor daraufhin seine Zulassung als Arzt, übte seinen Beruf aber illegal weiter aus.

Inzwischen wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen, der offenbar an der Entführung K.s beteiligt war. Neben Kalinkas Vater, der bereits gestanden hat, stellte sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft Kempten ein staatenloser Mann aus dem Kosovo in Österreich der Polizei. Der 38-Jährige, der in Voralberg wohnt, habe seine Beteiligung zugegeben und "die Tatbeiträge seiner noch unbekannten Komplizen" beschrieben.

Bayerns Justitzministerin Beate Merk (CSU) sagte, es sei inakzeptabel, wenn Einzelne sich selbst zum Richter machten. "Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun."

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