Euthanasie:Belgien will Sterbehilfe für Kinder

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Der belgische Senat stimmt für ein Gesetz, das die liberalsten Sterbehilfe-Regeln in Europa schaffen würde: Auch Minderjährige könnten dann auf ihren erklärten Wunsch hin ärztlich getötet werden.

Von Lisa Riesner, Brüssel

Unheilbar erkrankte Minderjährige könnten in Belgien bald auf ihren erklärten Wunsch hin ärztlich getötet werden. Am Donnerstag stimmte das belgische Oberhaus, der Senat, mehrheitlich für einen Gesetzesvorschlag, der dies erlauben würde. Das letzte Wort hat nun das belgische Parlament, das im Mai 2014 entscheiden soll.

Kommt das Gesetz durch, wären aktive Maßnahmen zur Lebensbeendigung beispielsweise möglich bei Kindern, die an Krebs leiden. "Es geht darum, dass sie entscheiden dürfen zwischen Sterbehilfe und der Verlängerung der Lebenszeit durch Palliativmedizin", sagte der Senatsabgeordnete Jean-Jacques De Gucht der Süddeutschen Zeitung am Freitag.

De Gucht ist der Initiator des Gesetzesentwurfs. Er hatte vor sieben Jahren bereits angeregt, die Altersgrenze für die in Belgien legalisierte Sterbehilfe abzusenken. Sein Vorschlag wurde in der belgischen Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen. Bei einer Umfrage des belgischen Fernsehsenders RTBF und der Zeitung La Libre von Anfang Oktober hatten sich drei Viertel von 3000 befragten Belgiern für diese Ausweitung des Gesetzes ausgesprochen.

Strenge Voraussetzungen

Anders als in Deutschland ist Sterbehilfe in Belgien seit 2002 bei Volljährigen erlaubt. Voraussetzungen sind, dass der Patient schwer krank ist, dass er den Wunsch äußert zu sterben und dass er die mentale Reife zu dieser Entscheidung besitzt. Das Sterbehilfegesetz für Minderjährige soll grundsätzlich ebenfalls auf diesen Prinzipien basieren, allerdings die Voraussetzungen strenger fassen. Die Krankheit des Kindes muss - anders als bei Erwachsenen - unheilbar sein. Todkranke Minderjährige dürfen Sterbehilfe nur verlangen, wenn sie unter starken Schmerzen leiden, für die es keine Medikamente zur Linderung gibt.

Psychische Erkrankungen sind - ebenfalls anders als bei Volljährigen - kein ausreichender Grund, um sich ein tödliches Mittel geben zu lassen. Zudem müssen in jedem Fall die Eltern des Minderjährigen zustimmen.

Das belgische Gesetz definiert zugleich ganz eindeutig, was unter Sterbehilfe, "Euthanasie" im belgischen Sprachgebrauch, zu verstehen ist: das aktive und bewusste Eingreifen des Arztes, der mit seinem Handeln das Leben des Patienten beendet. Dazu zählt die gezielte Abgabe von Medikamenten - aber nicht, Beatmungsgeräte auszuschalten. Letzteres gilt lediglich als Verzicht auf eine Weiterbehandlung und ist somit in Belgien wie auch in Deutschland ohnehin erlaubt.

Wichtig ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen, dass der Patient, der die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, den Wunsch zu sterben von sich aus äußert, dass er bei klarem Verstand und sich vollends der Tragweite dieses Wunsches bewusst ist. Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, erstellt eine Gruppe von Ärzten ein Gutachten über den Patienten. Speziell bei Kindern soll ein Psychologe entscheiden, ob das Kind tatsächlich reflektiert genug ist, um über sein Leben zu richten. Für die Begutachtung ist kein zeitlicher Rahmen vorgegeben. "Es kann ein Jahr sein, länger oder kürzer", sagt De Gucht.

Vielleicht zwei, drei Fälle pro Jahr

Belgische Ärzte schätzen, dass es so künftig zwei bis drei Fälle von Sterbehilfe für Kinder pro Jahr geben könnte. 2012 zählte die belgische Regierung bei Erwachsenen insgesamt 1400 Fälle. David Fieldsend, Geschäftsführer der christlichen Organisation Care for Europe, ist gegen jede Sterbehilfe für Kinder. "Wo soll das enden? Eine Entscheidung über Leben und Tod darf nicht in die Hände von irgendjemandem fallen!"

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gesetzentwurf in Belgiens Parlament durchgeht, ist aber relativ hoch. Im Parlament haben dieselben Parteien die Mehrheit wie im Senat. Belgien könnte bald eines der ersten Länder sein, das Sterbehilfe für Kinder ohne eine Altersgrenze erlauben, das erste jedenfalls in Europa: In den Niederlanden gibt es zwar bereits die Möglichkeit der Sterbehilfe für Jugendliche, allerdings müssen sie mindestens zwölf Jahre alt sein.

© SZ vom 14.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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