US-Eishockey-Liga:Maskottchen unter Verdacht

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Zottelwesen Gritty, das Maskottchen der "Philadelphia Flyers", hier in freundlicher Geste. (Foto: Kyle Ross/Imago)

Orangefarbene Mähne, Kulleraugen, ruppige Manieren: Die Anhänger der Philadelphia Flyers lieben Gritty. Doch das Zottelwesen soll bei einem Fan-Fest einen 13-jährigen Jungen angegriffen haben.

Von Oliver Klasen

Gritty, das muss man zu seiner Verteidigung sagen, wird nicht bezahlt dafür, nett zu sein. Das Maskottchen des US-Eishockey-Teams "Philadelphia Flyers" ist qua Jobbeschreibung ein kleiner Rowdy. Es gibt Filmchen im Internet, auf denen Gritty zu sehen ist, wie er sich die Popcorntüte eines gegnerischen Fans schnappt und sie über dessen Kopf ausleert. Gritty, wie er den Pausen-Showact auf dem Eis einfach umrennt. Gritty, wie er einem Mann die Pizza aus der Hand schlägt.

Gritty ist ein 2,10 Meter großes, krümelmonsterartiges Zottelwesen mit Kulleraugen, das immer ein Trikot in den Vereinsfarben schwarz-weiß-orange und einen Helm trägt. Erst 2018 trat er (oder sie oder es, welchen Geschlechts Gritty ist, ist ungewiss) den Dienst an. Vorher - ungewöhnlich im US-Eishockey - gab es jahrzehntelang kein Maskottchen bei den Philadelphia Flyers, einem Traditionsverein.

Jetzt hat Gritty, so berichten es mehrere US-Medien, zum ersten Mal in seiner Karriere richtigen Ärger. Sogar die Polizei ermittelt. Wie ein Nachrichtenmoderator aus Philadelphia twittert, handelt es sich um eine "laufende Untersuchung". Polizisten von der "South Detectives Divison" würden ermitteln. Hört sich nicht gut an.

Was ist passiert? Bei einer Meet-and-Greet-Veranstaltung im November soll Gritty einem 13-jährigen Jungen mit Anlauf in den Rücken gesprungen sein. Gritty, der Junge und dessen Vater hatten ein Gruppenfoto machen lassen und der 13-Jährige hatte dem Maskottchen dabei, so schildert es sein Vater der Zeitung Philadelphia Inquirer, drei Mal leicht auf den Helm geklopft. Gewissermaßen als Revanche soll das Maskottchen dann Anlauf genommen und den Jungen umgerannt haben. Dieser klagte nach dem Vorfall über Rückenschmerzen, ein Chiropraktiker diagnostizierte eine schwere Prellung.

Chris Greenwell, der Vater, wandte sich anschließend an die Eigentümerfirma des Eishockey-Klubs. "Alles, was ich von Ihnen wollte, war, sich bei meinem Sohn zu entschuldigen. Ich wollte, dass die Arztrechnung bezahlt wird, ein paar Hundert Dollar, und irgendeine Geste der Wiedergutmachung. Mehr nicht", sagte Greenwell.

Doch offenbar reagierte der Verein nicht so, wie es sich Greenwell erhofft hatte. Man habe die Angelegenheit zwar "ernst genommen", aber "nichts gefunden, was die Beschwerde rechtfertigen würde". Videoaufnahmen von der Szene existierten nicht, konkrete Hinweise auf ein Fehlverhalten des Maskottchens lägen nicht vor.

An diesem Punkt wird es kompliziert. Denn: Strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können in einem Rechtsstaat nur reale Personen. Doch bisher lehnt der Verein es ab, preiszugeben, wer an jenem Tag im November unter der Gritty-Maske Dienst tat.

Er habe zunächst gar nicht die Polizei einschalten wollen, sagt Greenwell. Zu diesem Schritt habe er sich erst entschlossen, als ihn die Reaktion des Vereins frustriert habe. Offenbar gab es einen handfesten, per Mail und am Telefon geführten Streit über Kompensationsmaßnahmen zwischen Greenwell und der stellvertretenden Leiterin des Risikomanagements der Betreiberfirma.

Vater Greenwell gab erbost seine Dauerkarte zurück, nach 22 Jahren. Aber am vergangenen Sonntag, so schreibt es das Nachrichtenportal Delaware Online, ist er offenbar schwach geworden. Er schob seinen Frust beiseite, setzte sich ins Auto und fuhr mit seinem Sohn zum Stadion. Nicht zu einem Spiel, aber zu einer Autogrammstunde. "Ich tue, was ein guter Vater eben tut, um seinen Sohn glücklich zu machen", sagte Greenwell.

Maskottchen Gritty ward bei dem Termin nicht gesehen.

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