Ecuador:Projekt Hoffnung

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Nach dem Erdbeben reisen viele Freiwillige ins Krisengebiet. Auch Julio Acosta wurde zum Augenzeugen der schrecklichen Ereignisse und möchte nun mit Kleidung und Lebensmitteln helfen.

Von Benedikt Peters, Quito/München

Als das Erdbeben in Ecuador ausbricht, ist der Ingenieur Julio Acosta gerade in einem Supermarkt. "Wir sind Erdbeben gewöhnt, aber das war das schlimmste, was ich selbst je erlebt habe", sagt er, als ihn die Süddeutsche Zeitung am Montagnachmittag am Telefon erreicht. Die Waren seien aus den Regalen gefallen, die Leute in Panik umhergerannt, und draußen auf der Straße habe er gesehen, wie Dächer einstürzten. Anderswo in Guayaquil brach eine Brücke. "Ich kenne ein junges Mädchen, das gestorben ist", erzählt Acosta. "Es wurde in einer Panik totgetrampelt."

Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte Ecuador am Samstagabend heimgesucht, es ist, wie der Präsident Rafael Correa im Fernsehen sagt, die schlimmste Katastrophe in Ecuador seit 67 Jahren. Die Zahl der Toten stieg bis Montag auf 350, verletzt wurden mehr als 2000. Nach Correas Worten dürfte sich die Bilanz des Bebens noch weiter verschlimmern. "Ich fürchte, dass diese Zahl weiter steigen wird, denn wir sind noch dabei, die Trümmer zu beseitigen", sagte Correa. Er rechne damit, dass weitere Tote geborgen werden müssten. Helfer berichteten immerhin auch Hoffnungsvolles: Man höre aus eingestürzten Gebäuden immer wieder Lebenszeichen.

Am schlimmsten betroffen sind die Provinzen Esmeraldas, wo das Epizentrum des Bebens lag, sowie die südlich angrenzende Provinz Manabí. Weltweit sind inzwischen Spenden- und Hilfsaktionen angelaufen. Nach Regierungsangaben haben das benachbarte Kolumbien, Mexiko, Chile, Argentinien und El Salvador zugesagt, schnellstmöglich Katastrophenhelfer zu schicken. Die Europäische Union kündigte an, ein Hilfsprogramm im Umfang von einer Million Euro für die Erdbebenopfer bereitzustellen. Man habe bereits Experten entsandt, sagte Christos Stylianides, EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe.

Allein im Ort Pedernales in der Provinz Manabí gehen die lokalen Behörden von 400 Toten aus. Der Bürgermeister Gabriel Alcivar sagte, der gesamte Ort sei dem Erdboden gleichgemacht worden. In Portoviejo, der Hauptstadt von Manabí, wurde von Plünderungen berichtet. Ecuadorianer aus den weniger stark betroffenen Regionen machen sich bereits nach Esmeraldas und Manabí auf - Julia Acosta ist einer von ihnen. "Das ganze Land ist wie gelähmt", sagt der 26-Jährige. "Jeder kennt jemanden in Manabí oder Esmeraldas. Doch die Leute dort können wir kaum erreichen." Die Stromversorgung sei völlig zusammengebrochen, auch das Telefonnetz funktioniere nicht mehr. "Wir nehmen alles mit, was die Leute gebrauchen können", sagt Acosta. Er wolle bald mit einigen Helfern nach Manabí aufbrechen. Im Gepäck hätten sie unter anderem Stromgeneratoren, Wasser, Kleidung und Lebensmittel.

Das letzte Mal, dass es so schlimm war in Ecuador, sei 1949 gewesen, sagte Präsident Correa: Damals wurde die Stadt Ambato durch ein Erdbeben zerstört. Bei der Katastrophe in der im Zentrum von Ecuador gelegenen Stadt starben damals mehr als 5000 Menschen, die Stadt musste danach nahezu vollständig neu aufgebaut werden. Auch in Erinnerung daran appellierte Correa nun an den Zusammenhalt der Ecuadorianer: "So groß der Schmerz ist, noch größer ist der gemeinsame Geist unseres Volkes." Die Regierung in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito hatte bereits am Samstag den landesweiten Ausnahmezustand verhängt und 10 000 Soldaten sowie 3500 Polizisten in das Krisengebiet geschickt. Hinzu kommen mehr als 100 Ärzte und medizinisches Personal.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die Vertreter mehrerer Staaten reagierten bestürzt auf die Katastrophe. "Mit großem Entsetzen haben wir die Bilder der Verwüstungen gesehen", schrieb Bundespräsident Joachim Gauck an Präsident Correa. Er wünsche dem ganzen Land "viel Kraft" bei den anstehenden Rettungsarbeiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel übermittelte in einem Telegramm zudem die "Bestürzung und Betroffenheit" der Bundesregierung.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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