Dioxin-Skandal:Razzia bei Futtermittelhersteller

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Im Dioxin-Skandal durchsucht die Staatsanwaltschaft die Räume eines verdächtigen Futtermittelherstellers. Die Behörden gehen inzwischen von bis zu 150.000 Tonnen verseuchtem Tierfutter aus.

Nach und nach kommen die Informationen ans Licht: Im Dioxin-Skandal sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung bis zu 3000 Tonnen verseuchtes Tierfutterfett hergestellt worden. Daraus lässt sich laut dem Bericht eine Menge von 30.000 bis 150.000 Tonnen Dioxin-verseuchtes Futter hochrechnen.

Besser kontrollieren, schärfer bestrafen: Die Aufregung nach dem Dioxinskandal ist groß. Auch die FDP tritt nun für Lebensmittelkontrollen und eine Zertifizierung der Futtermittelherstellung ein. (Foto: dpa)

Indes haben die Behörden die Räumlichkeiten des Futterherstellers Harles&Jentzsch im schleswig-holsteinischen Uetersen durchsucht. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe führt ein Ermittlungsverfahren gegen die Leitung des Unternehmens. Es soll technische Mischfettsäuren, die für die Papierherstellung bestimmt waren, für Futtermittel verwendet haben. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa gingen Polizisten und Staatsanwälte am Mittwochmittag auf das Betriebsgelände, um Beweismittel sicherzustellen.

Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurde auch ein Betrieb im niedersächsischen Bösel durchsucht. Das Werk bei Cloppenburg betreibt ein Tanklager und eine Futterfett-Rührstation für Harles&Jentzsch.

Nach derzeitigem Kenntnisstand sind vom 12. November bis zum 23. Dezember 2010 insgesamt sieben verdächtige Lieferungen an 25 Futterhersteller in mindestens vier Bundesländer verkauft worden. Dies geht aus einem Bericht des Landwirtschaftsministeriums an den Agrarausschuss des Bundestages hervor, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt. Eine Lieferung der mit Dioxin belasteten Futtermittel an andere EU-Staaten sei nicht erfolgt.

Schärfere Regeln gefordert

Während in Nordrhein-Westfalen am Dienstagabend 139 weitere Betriebe gesperrt wurden und die EU-Kommission Aufklärung verlangt, prüft die Bundesregierung bereits schärfere Regeln für Futtermittel-Hersteller. Verbraucherschutzminsiterin Ilse Aigner (CSU) geht davon aus, dass bewusst ungeeignete Fette zu Futtermitteln zusammengepanscht wurden. "Ich halte das nicht für glaubwürdig, was hier gesagt worden ist".

Drastische Worte fand auch der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz, Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU): "Es bedarf in erster Linie deutlich schärferer Strafen bei Verstößen gegen das Lebens- und Futtermittelrecht", sagte Reinholz. Nur mit harten, abschreckenden Sanktionen seien die "Scharlatane der Branche" zu beeindrucken.

Bisher drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden. Die Agrarminister der Bundesländer wollen noch im Januar über Konsequenzen aus dem Skandal um giftiges Dioxin in Tierfutter beraten. Ein Umdenken bewirkte der Lebensmittelskandal bei der FDP: Die Liberalen sprachen sich für eine Zertifizierung der Futtermittelherstellung aus - bisher waren sie stets gegen strengere Kontrollen in der Lebensmittelproduktion eingetreten.

Bundesländer veröffentlichen Kennnummern

Auch die Grünen dringen im Bundestag auf schärfere Konsequenzen aus den Dioxin-Funden und fordern eine bessere Abstimmung der Bundesländer, die für die Überwachung von Lebens- und Futtermitteln verantwortlich sind. "Das heißt ein einheitliches Vorgehen der Bundesländer mit der Priorität auf Verbraucherschutz", sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn.

Nach Nordrhein-Westfalen und Hamburg veröffentlichte nun auch das Land Niedersachsen Kennnummern, anhand derer die Verbraucher dioxinbelastete Eier erkennen können. Die Codes sind auf die Schale der Eier gestempelt. Die bereits bekannt gegebenen Nummern können hier nachgelesen werden. Die Bundesländer kamen damit der Forderung der Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) nach, mehr Transparenz über den Verbleib belasteter Eier zu schaffen.

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Verbraucherschützer haben indessen für das Land Niedersachsen eine "außerordentlich hohe" Dioxin-Belastung des in den Handel gelangten Tierfutters festgestellt. In einer Probe seien 123 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Fett ermittelt worden. Von Teilen des Futters gehe daher ein "erhebliches Kontaminationsrisiko" für Lebensmittel aus, warnte Bernhard Aue vom Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (Laves) in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Indessen breitet sich der Skandal auf weitere Bundesländer aus: Sechs Schweinemastbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern, die mit verunreinigtem Tierfutter beliefert worden waren, wurden in der Nacht zum Mittwoch gesperrt, wie das dortige Agrarministerium mitteilte.

Rund 410.000 möglicherweise mit Dioxin belastete Eier sind aus Niedersachsen nach Bayern geliefert worden. Ein Eiergroßhändler in der Oberpfalz habe im Dezember sechs verdächtige Lieferungen erhalten, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung in Regensburg. Der Großhändler habe sich am 23. Dezember selbst bei den Behörden gemeldet, nachdem er vom Dioxinskandal gehört hatte. Der Großteil der verdächtigen Eier sei sichergestellt worden.

Welche Lebensmittel außer Eiern noch verseucht sein könnten, wird erst in einigen Tagen feststehen. Mehr als 1000 Bauernhöfe in mehreren Bundesländern sind geschlossen. Sie dürfen ihre Ware erst wieder verkaufen, wenn sie auf eigene Kosten in Labortests die Unbedenklichkeit nachgewiesen haben.

Auch die Niederlande sind vom deutschen Dioxin-Skandal betroffen: Aus Sachsen-Anhalt seien 136.000 belastete Eier an eine niederländische Firma geliefert worden, sagte der Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Holger Eichele, am Mittwoch in Berlin. Die Firma sei informiert worden.

Ratschläge an die Verbraucher

Im Bezug auf die Gefahren für die Verbraucher sind sich Einzelhandel und Verbraucherschützer uneins. Ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE) erklärte am Mittwoch in Berlin: "Eine akute Gesundheitsgefahr besteht nicht. Deswegen ziehen die Unternehmen auch nicht flächendeckend Ware aus dem Verkehr." Bernhard Burdick, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät dagegen vom Verzehr von Eiern und Geflügel ab. Wegen des Gesundheitsrisikos sollten Verbraucher zurzeit entweder vollständig auf die gefährdeten Lebensmittel verzichten - oder auf Bioprodukte zurückgreifen. Dies gelte insbesondere für Kinder und Schwangere.

Bei Eiern ist auf die Unterscheidung von Bio- und Freilandprodukten zu achten: "Wir können eindeutig ausschließen, dass Bio-Höfe betroffen sind, da konventionelle Futtermittel dort nicht erlaubt sind", sagte Alexander Gerber vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) der Nachrichtenagentur dapd. Eine Belastung von Eiern aus Freilandhaltung sei dagegen "prinzipiell möglich". Die Verbraucherzentrale NRW bestätigte diese Einschätzung.

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