Glücksatlas:Happy Hour bei der Post

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Thomas Ogilvie (links), Personalvorstand der Deutschen Post, und Bernd Raffelhüschen, Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, stellen gemeinsam den Glücksatlas 2019 vor. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Einmal im Jahr macht die Deutsche Post einen auf Glückskonzern. Dabei steht die Post weniger für Glück als für Stress, Unterbezahlung und schlechtes Gewissen.

Glosse von Martin Zips

Das Schlager-Duo Sigrid & Marina hat gerade seine neue DVD veröffentlicht. Sie heißt: "Heimatgefühle von Herzen - Halleluja der Berge". Gut, da weiß man wenigstens gleich Bescheid. Heimat gleich Gefühle gleich Herz gleich Halleluja gleich Berge gleich Sigrid gleich Marina. Da bleiben echt keine Fragen offen.

Wenn hingegen die Deutsche Post - wie gerade wieder - ihren jährlichen "Glücksatlas" vorstellt, so fragt man sich schon: Was, bitte, hat die Post mit Glück zu tun? Ein paar Tausend Menschen wurden auch heuer wieder befragt: "Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit Ihrem Leben?" Ergebnis: Schleswig-Holsteiner sind besonders zufrieden, Brandenburger eher nicht. Doch insgesamt wirkt Deutschland schon recht aufgeräumt (7,14 von 10 Punkten), je nach Auslegung könnte das für Anspruchslosigkeit, Realitätsverlust, Drogenmissbrauch oder Fatalismus sprechen. Bei der Vorstellung des recht oberflächlichen Berichts in Berlin jedenfalls (weiteres Fazit: "Arbeiten in geschlechtergemischten Teams erhöht die Arbeitszufriedenheit") nahm ein lächelnder Post-Vorstand den Atlas von einem lächelnden Wirtschaftswissenschaftler entgegen. Zwei Männer vor einer gelben Wand.

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Die Bundesbürger sind zufriedener mit ihrem Leben als im vergangenen Jahr. Der nun vorgestellte Glücksatlas sieht vor allem den Osten im Aufschwung.

Dabei sehen die Briefmarken der Deutschen Post mittlerweile so langweilig aus wie die Preisetiketten im Kühlregal. Der Postkasten wird auch immer leerer, meist findet sich darin abends nur ein Abholschein, weil wieder niemand aufgemacht hat, als der DHL-Bote was abzugeben hatte. Post, das ist doch eher Stress, Unterbezahlung, Abholwahnsinn und schlechtes Gewissen für den Internet-Einkauf. Dabei war da mal was, mit Post und Glück und so. Als Liebesbriefe noch aufwendig gestaltet wurden, der Paketzusteller noch viel Zeit mitbrachte und nicht Instagram-Bilder, sondern Postkarten von fernen Welten erzählten. Als im Fernsehen der Glückspostbote Walter Spahrbier hieß und den Zuschauern Geld und Geschenke brachte - 30 Jahre lang. Da brauchte niemand groß zu betonen, dass die Farbe des Glücks Gelb ist. Postgelb!

"Ich bin überzeugt, dass nur zufriedene Mitarbeiter, die faire Arbeitsbedingungen vorfinden und angemessen bezahlt werden, unseren Kunden die Top-Leistungen liefern können, die sie verdienen", hat der "Personalvorstand und Arbeitsdirektor von Deutsche Post DHL Group" bei der Vorstellung des Glücksatlas gesagt und die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen von 22 auf 30 Prozent in den nächsten fünf Jahren versprochen. Ein echter Glückskonzern also, die Deutsche Post.

Wen das jetzt nicht happy macht, der muss sich halt noch ein bisschen bemühen, beim "Positive Thinking". Wie singen Sigrid & Marina so schön? "Wer lacht in froher Runde, der weiß, wie gut das tut." Halleluja.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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