China:Erblühe, Himmelspalast

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China schickt erneut Menschen ins All, sie sollen versuchen, Sauerstoff zu erzeugen. Für das Land ist die Reise nichts weniger als ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Weltraummacht.

Von Christoph Giesen und Alexander Stirn

Millionen Chinesen verfolgten am Montagmorgen live im Staatsfernsehen den Start des sechsten bemannten Raumfahrtfluges der chinesischen Geschichte, vor dem Countdown wurde natürlich das volle Propagandaprogramm abgespult: Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren in Tracht, Hunderte jubelnde Chinesen, die rote Fähnchen schwenkten, dann die Nationalhymne. Um 7.30 Uhr Ortszeit hoben die beiden Raumfahrer Jing Haipeng und Chen Dong, bisweilen Taikonauten genannt, schließlich in ihrer Shenzhou 11-Rakete von der Satellitenstartrampe in der Wüste Gobi ab, gleich danach gratulierte Ministerpräsident Li Keqiang den Ingenieuren im Kontrollzentrum in Peking. Und Parteichef Xi Jinping, auf Staatsbesuch in Indien, schickte ein Glückwunschschreiben in die Heimat, in dem er die chinesische Raumfahrtmission aufforderte, noch "größere Schritte" im All zu unternehmen, um China zu einer "Raumfahrtmacht" zu machen.

Jing und Chen werden im All Geburtstag feiern. Und Pflanzen züchten

Verglichen mit den anderen Raumfahrtnationen ist China ein Spätentwickler. Im Jahr 2003 flog der erste chinesische Astronaut ins All, fünf Jahre später verließ der erste Raumfahrer seine Kapsel für einen Außeneinsatz, 2011 folgte der Start des ersten Raumlabors, Tiangong 1 (Himmelspalast). Gleich zweimal dockten Raumkapseln daran an. Vergangenen Monat schickte China schließlich den Nachfolger, Tiangong 2, ins All.

Etwa 30 Tage sollen sich Jing und Chen dort aufhalten, sie werden an Bord leben, forschen und das Labor in Schuss halten. Sie werden ein Mal Geburtstag feiern, den 50. von Raumfahrer Jing. Und sie werden Pflanzen züchten. Die Hoffnung chinesischer Wissenschaftler: Durch die Fotosynthese soll genug Sauerstoff zum Überleben produziert werden. Erste Versuche am Boden waren immerhin erfolgreich. Tiangong 2 ist nun also nur ein weiterer Schritt auf einem sorgfältig choreografierten Weg zur Weltraummacht: Mit dem zehn Meter langen Raumlabor will China die notwendige Erfahrung sammeln, um eine eigene große Raumstation zu betreiben. Neben dem Leben an Bord gehört dazu auch die Versorgung des Labors mit Fracht und Treibstoff. Ein neuer Raumfrachter namens Tianzhou (himmlisches Schiff) ist dazu entwickelt worden. Anfang 2017 wird er seinen Jungfernflug absolvieren. Und bereits in zwei Jahren soll dann mit dem Aufbau der neuen Raumstation begonnen werden. Drei Module, ein jedes mit einer Masse von 20 Tonnen, müssen dazu in etwa 400 Kilometer Höhe zu einem orbitalen Wohn- und Forschungskomplex verbunden werden. Wenn alles nach Plan verläuft, soll die Station im Jahr 2020, spätestens aber 2022 einsatzbereit sein.

Der Termin ist strategisch geschickt gewählt. Noch kreist die Internationale Raumstation ISS um die Erde - ein riesiges Labor, das von 15 Nationen betrieben wird, darunter Deutschland, Frankreich, Russland und die USA. Im Jahr 2024 wird die ISS allerdings wohl ihren Betrieb einstellen, zumindest sind das die aktuellen Pläne. China könnte die Arbeit mit seiner eigenen Station dann nahtlos fortsetzen.

Schon bei der ISS hätte Peking gerne mitgemacht, bislang war die Volksrepublik in der bemannten Raumfahrt allerdings ein Geächteter: Auf Drängen des US-Kongresses, der aus ideologischen Gründen und aus Angst vor Spionage jegliche Zusammenarbeit in der Raumfahrt unterbunden hat, blieb China außen vor. Auch deshalb ist die neue Raumstation, kurz CSS genannt, für die chinesische Führung so wichtig. Sie sichert dem Land nicht nur einen Platz unter den führenden Raumfahrtmächten, sie ermöglicht auch neue Kooperationen: Bereits Mitte Juni hat China einen Vertrag mit den Vereinten Nationen geschlossen, in dem alle UN-Staaten explizit zur bemannten Forschung auf der neuen Station ermuntert werden.

Das Angebot bleibt offenbar nicht ungehört: Bei der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa lernen die ersten Astronauten bereits Chinesisch.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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