Bulgarien:Mission Spaßbremse

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Krachmacher? Partytouristen am „Sunny Beach“ in Sonnenstrand. (Foto: Nikolay Doychinov/AFP)

Vize-Regierungschef Valeri Simeonov kämpft gegen den Partylärm an der Schwarzmeerküste. In Discos rückt er persönlich zur Kontrolle an.

Von Florian Hassel

Die Party war in vollem Gang, als die Diskothek Oxygen im Schwarzmeerbadeort Slantschew Brjag um Mitternacht Besuch bekam. Niemand Geringerer als Bulgariens Vize-Ministerpräsident Valeri Simeonov führte dort eine Inspektion mit Polizei, Steuerfahndung, Gesundheits- und Arbeitsaufsicht an. Sein Befund: Lärmüberschreitung. Die Konsequenz: Die Diskothek wurde geschlossen. Auch andere Clubs in Slantschew Brjag, auch bekannt als Sonnenstrand, bekamen Besuch von Simeonov. Am Montag verkündete er, die Kontrollen vom Wochenende seien nur der Anfang: Er führe "einen Krieg gegen den Lärm an der Schwarzmeerküste".

Laut ist der Sommer dort in der Tat - nirgendwo mehr als in Sonnenstrand. Zu kommunistischer Zeit ein stiller Badeort auch für Familien aus der Sowjetunion oder der DDR, ist er heute mit unzähligen Betonburg-Hotels, Bars und Diskotheken Bulgariens größter Magnet für Hunderttausende junge Dänen, Deutsche oder Engländer - vor allem auch für diejenigen, die gern die Nächte durchtanzen. Ein englisches Tourismusbarometer kürte den dort gelegenen "Sunny Beach" zum billigsten Kampftrinker-Eldorado Europas: Daran haben auch Todesfälle durch Stürze Betrunkener vom Hoteldach oder Herzstillstände nach Wettrinken nichts geändert.

Hotels, Bars oder Diskotheken werfen jährlich Gewinne von geschätzt 100 Millionen Euro ab. Oft werden sie von einer der laut Innenministerium 424 Mafiagruppen Bulgariens kontrolliert. "Der Krieg wird nicht nur um Drogen geführt, sondern auch um Eisstände, Taxihaltestellen und jedes Stück Land", sagte der Generalstaatsanwalt im Juli 2016. Kurz zuvor hatten mutmaßliche Mafiosi einen Revierdisput mit Schießerei: Ein Mafioso starb, drei wurden schwer verletzt. Bozhidar K., Szenename "Bozho die Kuh", sitzt seither im Knast. Dem bulgarischen Fernsehen zufolge ist K. Besitzer der Oxygen-Diskothek, des Schauplatzes der vom Vize-Ministerpräsident angeführten Sonderaktion.

Simeonov ist Führungsmitglied der nationalistisch-populistischen Vereinigten Patrioten. Seit er vor einigen Monaten in die Regierung einzog, hat der Vize-Ministerpräsident wenig für seine eigentliche Aufgabe, die Wirtschaftsförderung, getan. Dafür viel für sein Image. Der vordergründig unnachgiebige "Krieg gegen den Lärm" gehört dazu. Leidtragende sind auch Musiker: Als sich Stanislav Peev, in Bulgarien als DJ Stancho bekannt, beim mitternächtlichen Kontrollbesuch des Vize-Regierungschefs weigerte, der Polizei seinen Laptop zu übergeben, wurde er verhaftet.

Nachdem der Vize-Regierungschef weitere Feldzüge im Anti-Lärm-Krieg ankündigte, sagten die Organisatoren das zweitägige Strandfestival Solar Summer in Sonnenstrand ab, das am Freitag beginnen sollte. Bulgariens Tourismusministerin, nun sehr besorgt über mögliche Besucherrückgänge, plädierte für "Krachzonen" in jedem Urlaubsort am Schwarzen Meer. Und die Vorsitzende des Hotelierverbandes von Sonnenstrand mahnte, die Regierung solle den Ort nicht "in ein Reiseziel für Rentner umwandeln".

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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