Britische Polizei jagt Trickbetrügerin:Photoshop für ein Fahndungsbild

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Diese Wimpern, dieser Mund, diese Kopfbedeckung - daran muss sich doch jemand erinnern! Mit einem - sagen wir: minimal - bearbeiteten Fahndungsbild wird in Großbritannien nach einer Trickbetrügerin gesucht. Vielleicht sollten die britischen Beamten mal Scarlett Johansson nach ihrem letzten Insel-Aufenthalt befragen.

Martin Zips

Kennt jemand diese Frau? Die Polizei in Gloucestershire hat dieses digital leicht bearbeitete Fahndungsbild herausgegeben. Zu sehen ist jene Betrügerin, die vor einigen Tagen in Cheltenham eine Seniorin nach dem Weg gefragt haben soll, während ihr ein Komplize die Kreditkarte klaute. Jetzt fehlen der Seniorin 1000 britische Pfund.

Fahndungsbild mit minimalen Korrekturen: Mit dieser Grafik sucht die Polizei im englischen Gloucestershire nach einer Trickbetrügerin. (Foto: Gloucestershire Police)

Mit dem Fahndungsbild freilich dürfte die Suche nach der Täterin für die Polizei in Gloucestershire ein Kinderspiel werden. Diese Wimpern, dieser Mund, diese Kopfbedeckung - das kommt nicht häufig vor. Da wird sich doch jemand dran erinnern, wenn die ihm in der Tram plötzlich gegenübersitzt. Oder nicht?

Dass jedes Bild nur ein Modell der Wirklichkeit sein kann, darauf hat schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein hingewiesen. Das musste jetzt auch jener Mann erfahren, der in Stuttgart einen Juwelendieb aus der Sendung Aktenzeichen XY ... ungelöst wiederzuerkennen glaubte. Bei der polizeilichen Überprüfung stellte sich heraus: Der Überführte war gar nicht der Juwelendieb. Es war nur der Kleindarsteller D., der dem Dieb in der Fernsehsendung sein Gesicht geliehen hatte.

Die Kreditkarte der armen Seniorin bleibt verschwunden

Man will den Polizeibeamten in Gloucestershire jetzt nichts unterstellen. Doch seien an dieser Stelle vorsichtige Zweifel daran erlaubt, ob ihr Fahndungsbild tatsächlich das reale Antlitz der Täterin wiedergibt.

Haben die Fahnder womöglich jemand ganz anderen im Sinn gehabt, als man ihnen von der entwendeten Kreditkarte berichtete? So wie der Maler Mario Cavaradossi in Puccinis Oper "Tosca", der eigentlich ein Bildnis der Maria Magdalena erschaffen sollte, dann aber eine völlig andere Schönheit malte. Geht man etwa nach den ungewöhnlich großen, roten Lippen, so könnte man auch Scarlett Johansson, Lily Cole, Diane Kruger oder Sunnyi Melles nach ihrem letzten Aufenthalt in Cheltenham befragen.

Jedes Bild ist nur ein Modell der Wirklichkeit. Und im Zeitalter von Hyaluronsäure und Verjüngungstherapie gilt auch: Die Wirklichkeit ist manchmal nichts anderes, als nur das Modell eines Bildes. Damit, leider, ist die Kreditkarte der armen Seniorin noch immer nicht gefunden.

© SZ vom 24.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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