Bochum:Immobilien-Blase

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Hänge-Partie: In Bochum wohnen Studierende in einer Plastikkugel. (Foto: Marcel Kusch/dpa)

Dusche in der Telefonzelle und statt Bilder Projektionen an der Wand -Architekturstudenten haben die Antwort auf das Problem mit der Wohnungsnot gefunden: Die Studentenbude zum Aufblasen.

Von Titus Arnu

Wer in einer deutschen Großstadt studieren will, muss viel Geld fürs Wohnen bezahlen - oder viel Fantasie haben. In 39 von bundesweit 87 Universitätsstädten mit mehr als 5000 Studenten ist die Wohnungslage angespannt, wie aus einer Studie des Immobilienentwicklers GBI hervorgeht. Da ist Flexibilität gefragt: Umgebaute Frachtcontainer und leer stehende Hallen dienen als Notquartiere, Studentenwerke organisieren zu Semesterbeginn vielerorts Feldbetten und Zelte.

Eine besonders flexible, hochkreative Lösung haben nun 20 Studierende in Bochum gefunden. Im Stadtteil Ehrenfeld haben sie eine Wohnblase aus Polyurethan in eine Baulücke zwischen zwei Häuser gehängt. Der Eingang befindet sich in einer ausrangierten Telefonzelle, sie ist Eingang, Treppenhaus, Toilette und Badezimmer zugleich. Von der Telefonzelle aus gelangt man über eine Leiter in die transparente Kugel. Der 50 Kubikmeter große schwebende Globus wirkt wie eine Mischung aus Hüpfburg und Raumstation. Ein Gebläse sorgt permanent dafür, dass die Kugel nicht zusammenschrumpft. Der Luftpolster-Boden ist zugleich die Matratze, auf der die Bewohner schlafen. "Er ist nicht so fest wie ein Betonboden", sagt Alexander Rakow, einer der Studenten, "aber er trägt einen, und es ist ein schönes Gefühl, darauf herumzulaufen."

"Bloon" haben die Architekturstudenten ihren Testballon getauft. Die Wohnblase entstand in einem Seminar zur studentischen Wohnungsnot in Bochum, die Idee stammt vom Seminarteilnehmer David Keuer. Anderthalb Jahre haben er und seine Arbeitsgruppe an der Umsetzung getüftelt. Die Vorteile der experimentellen Wohnform: Es ist günstiger und schneller, einen Ballon aufzupumpen, als ein Haus zu bauen. Aber beim ersten Anblick fragt man sich: Haben die angehenden Architekten nicht ein paar Dinge vergessen? Warum hat die Kugel keine Küche, warum gibt es kein Regal, keine Sitzmöbel? Was ist mit der Privatsphäre? Die minimalistische Ausstattung sei eine Konsequenz aus einer Befragung von 277 Studierenden, erklärt Alexander Rakow: "Rausgekommen ist, dass die Leute sich heutzutage vor allem auf ihr Bett und auf ihr Laptop beziehen."

Bett und Laptop, der Rest ist egal? Das Kunstprojekt erhärtet den Verdacht, dass junge Menschen gerne in einer Blase leben. Statt Vorhängen gibt es im "Bloon" gebeamte Computer-Bilder: Allabendlich projizieren die Bewohner private Fotos auf die Rückseite der Kunststoffhaut. Bilder an die Wand zu nageln, geht ja nicht. Der Gummiball ist ein Statement gegen Wohnungsnot, ein Kunstobjekt und ein Symbol für das Ausstellen von Privatem - also insgesamt eine runde Sache.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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