Bocholt:Richter will Prozess um Cold-Water-Challenge einstellen

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  • Für ein Internetvideo will ein Mann seine Freunde aus dem Kegelklub mit Wasser aus einer Baggerschaufel übergießen. Der Bagger kippt, die Schaufel erschlägt ein Mitglied des Klubs.
  • Jetzt muss sich der Baggerfahrer vor Gericht verantworten.

Von Bernd Dörries, Bocholt

Damals war das eine große Sache, vor allem auf dem Land. Der eine Verein lud den anderen zur Cold-Water-Challenge ein, sich mit kaltem Wasser nass zu machen, und wer nicht so cool war, musste zum Beispiel Freibier zahlen; später wurde daraus die im Internet populäre Ice-Bucket-Challenge. Die Mitglieder des Kegelklubs "Bauernlümmel" haben also nicht lange nachgedacht im Juli 2014. Sie haben auf einem Feld in der Nähe von Bocholt in Nordrhein-Westfalen eine Bierbank aufgestellt und daneben Strohballen und Güllefässer. Dann stieg einer in den Teleskoplader, fuhr die Schaufel mit den 1800 Litern aus und schüttete sie über dem Kegelklub aus. Aber es kam nicht nur Wasser.

"Der kippt", schrie einer. Der kippt das Wasser, haben die Männer gedacht. Sekunden später schlug die Schaufel auf dem Tisch ein. Michael T., 34, Vater dreier Kinder, war sofort tot.

Eine halbe Stunde schaut er auf den toten Kumpel

Manchmal sei die Witwe voller Hass, manchmal komme sie vorbei und bitte um Hilfe, wenn sie eine Maus hinter dem Schrank habe, "das tut mir dann gut", sagt Stefan B. am Freitag vor dem Amtsgericht Bocholt. Er saß am Steuer, nun ist er wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Hätte er merken müssen, dass der Teleskoplader überladen war? B. sagt aus, er habe in seinem Beruf immer wieder solche Lader gefahren, nie habe es ein Problem gegeben. Eine halbe Stunde lag B. in der Glaskabine und schaute auf den toten Kumpel unter ihm. Die Feuerwehr versuchte, eine Decke davor zu hängen, aber sie fiel immer wieder runter.

Teleskoplader seien bei Handwerkern und Bauern in Mode gekommen, sagt der Gutachter: schick, flexibel, schnell, "sie haben aber auch große Risiken". 3600 Kilo könnten sie mit eingezogenem Arm tragen, nur 700 mit ausgefahrenem. Damals im Juli waren es mindestens 800 Kilo zu viel. Auf einem Traglastdiagramm in der Kabine sind die Höchstlasten verzeichnet, aber B. hat nicht genau hingeschaut; die neuen Lader sind mit einem System ausgestattet, das blockiert, wenn das Gewicht zu groß ist.

Warnsignal bleibt aus

Bei dem älteren Lader aus Bocholt hätte ein Warnsignal ertönen müssen, sagte der Gutachter, beim Warnsystem sei aber der Stecker gezogen gewesen. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb auch Gerald T. angeklagt, den Eigentümer des Krans. Das Warnsystem sei schon Jahre defekt gewesen, sagt T., der Hersteller habe gesagt, eine Reparatur lohne sich nicht. Sie hätte wohl tausend Euro gekostet, sagt der Gutachter.

Der Richter schlägt vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Die Staatsanwaltschaft stimmt nicht sofort zu, eine Entscheidung wird kommende Woche fallen.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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