Bilanz nach "Xaver":Norddeutschland trotzt dem Orkan

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Die Deiche haben gehalten und die Notfallpläne gut funktioniert. Orkantief "Xaver" hat Norddeutschland zwar viel Wasser gebracht, aber nur wenige Schäden verursacht. Einzig der Verkehr funktioniert noch nicht reibungslos.

Hamburger Feuerwehrleute sind von Berufs wegen sturm- und wassererprobt. Der Herkunft wegen neigen sie ganz gerne zu hanseatischem Understatement. "Da ist ein bisschen Wasser durchgelaufen", war in einer Schadensbilanz zum Orkantief Xaver zu lesen. An einem Fluttor bei den Landungsbrücken im Stadtteil St. Pauli gab es zunächst Probleme, doch das Leck konnte mit Ersatzteilen eines benachbarten Tores schnell gestopft werden.

Auch ansonsten hat die Hansestadt die Auswirkungen des Orkans gut überstanden. "Die großen Sturmschäden blieben bisher nach unserem Kenntnisstand aus", heißt es am Freitagvormittag von den Rettungskräften.

Am Vorabend hatte der Katastophenschutz vor einer "sehr schweren Sturmflut" gewarnt. Höher als 1962 sollte das Wasser steigen. Auf mehr als sechs Meter über Normalnull, damals waren es 5,70 Meter gewesen. 1962 - das weckt noch immer Erinnerungen in Hamburg, an eine verheerende Katastrophe, bei der mehr als 300 Menschen ihr Leben verloren, ganze Stadtteile überflutet wurden und der damalige Innensenator Helmut Schmidt die Lage nur in den Griff bekam, weil er die Bundeswehr zu Hilfe rief.

Tatsächlich brachte Xaver eine sehr hohe Flutwelle. Auf 6,09 Meter stieg der Pegel um kurz nach sechs Uhr am Freitagmorgen. Doch "erst ab 7,30 Meter wäre es wirklich kritisch geworden", heißt es beim Katastrophenschutz. So aber kam es nicht zu größeren Problemen. Einsätzkräfte und Bewohner sind in Hamburg gut vorbereitet gewesen auf die Flut. Alle Notfallpläne haben gegegriffen. Am Freitagabend wird gegen 19 Uhr zwar noch einmal eine dritte Flutwelle erwartet. Sie soll mit etwa fünf Meter über Normalnull allerdings deutlich niedriger ausfallen als am Morgen.

Sturmerprobt und gelassen: Passanten stehen am überschwemmten Fischmarkt im Hafen von Hamburg. (Foto: dpa)

Auch in anderen Teilen Norddeutschlands hat der Orkan keine größeren Schäden hinterlassen:

"Die Deiche haben gehalten", heißt es zum Beispiel im Sturmflut-Lagezentrum im nordfriesischen Husum. Nur an einer Stelle auf Nordstrand sei eine Schicht "leicht angeknabbert" worden, es sei aber kein Wasser durchgekommen. Am Pegel in Husum wurden Wasserstände von 3,27 Meter über dem mittleren Hochwasser verzeichnet. Prognostiziert waren 3,50 Meter. "Damit würde diese Sturmflut den Platz sechs der Sturmfluten seit 1962 einnehmen", sagte Johannes Oelrich, der Direktor des Landesbetriebs für Küstenschutz.

In Keitum auf Sylt hielt der Schutzwall um ein Haus dem Wasser, das von der Wattseite drückte, nicht ganz stand. Für das Nachmittagshochwasser wurde an der Nordsee aber nur noch ein Stand von zwei Metern über dem mittleren Hochwasser erwartet. In der Nacht waren es meistens 2,50 Meter - damit blieben die Pegel deutlich niedriger als befürchtet.

Die Feuerwehren in Schleswig-Holstein rückten zwar zu mehr als 2000 Einsätzen aus, aber bei den meisten davon handelte es sich jedoch um eher harmlose Ereignisse wie umgestürzte Bäume. Schwerverletzte gab es offenbar nicht. Bei Großhansdorf in der Nähe von Hamburg rammte eine S-Bahn einen Baum, entgleiste und fuhr gegen einen Brückenpfeiler. Feuerwehrleute befreiten sechs Menschen aus dem Zug, einer von ihnen wurde leicht verletzt. In Elmshorn fuhr ein Nahverkehrszug gegen einen Baum. Der Fahrer verletzte sich laut Polizei leicht, als er sein Fahrzeug verlassen wollte. "Insgesamt verlief die Sturmnacht für die Feuerwehren weniger dramatisch als bei Sturmtief Christian vor sechs Wochen", heiß es beim Landesfeuerwehrverband in Kiel.

Im Münsterland saßen Bahnpassagiere wegen eines umgestürzten Baumes stundenlang in einem Zug fest. Oberleitung und Bahn seien im Sturm auf freier Strecke zwischen Dortmund und Münster erheblich beschädigt worden, berichtete eine Sprecherin des privaten Betreibers Eurobahn. Die Reisenden mussten dort mehr als fünf Stunden ausharren.

Orkantief "Xaver"
:Der Morgen zum Nachlesen

Orkantief "Xaver" zieht weiter nach Osten +++ Stromausfälle und umgestürzte Bäume in Polen +++ Wasser in Hamburg stand höher als bei der Sturmflut von 1962 +++ Trotzdem nur geringe Schäden +++ Bahnlinie Berlin-Hamburg wieder frei.

Von Lena Jakat

Nach wie vor gibt es allerdings in Norddeutschland erhebliche Verkehrsbehinderungen. Auf dem Hamburger Flughafen mussten am Morgen zahlreiche Starts und Landungen gestrichen werden. Am späten Vormittag lief der Abfertigungsbetrieb wieder an. Es sei allerdings weiter mit Beeinträchtigungen zu rechnen, teilte der Flughafenbetreiber mit. Die Bahnstrecke Hamburg-Hannover, die wegen umgestürzter Bäume voll gesperrt war, ist auf einem Gleis wieder freigegeben worden. Noch im Laufe des Vormittags soll auch das zweite Gleis freigeräumt werden. Auch die Strecke Hamburg-Berlin ist wieder freigegeben. Nördlich von Hamburg bleibt der Fernverkehr aber voraussichtlich den ganzen Freitag eingestellt. Aktuelle Meldungen finden Sie hier.

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