Amokfahrt in Berlin:Staatsanwaltschaft beantragt wohl Haftbefehl gegen Verdächtigen

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Einen Tag nachdem am Berliner Breitscheidplatz ein Autofahrer in eine Menschenmenge gerast ist, äußern sich die Ermittler.

Etwa 28 Stunden ist es inzwischen her, dass in Berlin ein Autofahrer in eine Menschenmenge gerast ist. Eine Frau, eine Lehrerin aus Hessen, die mit ihrer Schulklasse in der Hauptstadt zu Besuch war, starb bei der mutmaßlichen Amokfahrt. 29 Menschen, darunter 14 Schülerinnen und Schüler und ein weiterer Lehrer, wurden verletzt. Sieben Jugendliche befinden sich zum Teil noch immer im lebensbedrohlichem Zustand im Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-jährigen Fahrer Mord sowie 31 Fälle von versuchtem Mord vor und außerdem einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Sie hat die Unterbringung des Mannes in der Psychiatrie beantragt. Die Polizei gehe davon aus, dass es sich bei der Tat um den Amoklauf einer "psychisch beeinträchtigten Person" handelt, so drückte es Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Donnerstag aus. Bei seiner Festnahme soll er einen verwirrten Eindruck gemacht und um Hilfe gebeten haben. Derzeit läuft die Auswertung des Handys und des Computers des Verdächtigen.

Nach 2016 wurde der Berliner Breitscheidplatz nun erneut Schauplatz eines Verbrechens, bei dem ein Fahrzeug in eine Menschenmenge fuhr. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Polizeibekannt war der 29-Jährige, der einen deutsch-armenischen Hintergrund hat, wegen Körperverletzungsdelikten und Hausfriedensbruch, aber nicht wegen Terrorverdachts oder Straftaten mit extremistischem Hintergrund. Am Mittwochnachmittag gab es zunächst Verwirrung um eine Meldung über ein angebliches Bekennerschreiben, das im Auto gefunden worden sei. Später dementierten die Ermittler das jedoch. Gefunden wurden im Wagen Plakate "mit Äußerungen über die Türkei", wie Innensenatorin Spranger berichtete. Das Motiv des Täters ist aber bisher unklar.

Die Tat selbst hat die Polizei dagegen weitgehend rekonstruiert: Der Kleinwagen der Marke Renault fuhr zunächst nahe der Straßenecke Kurfürstendamm, Rankestraße, Tauentzienstraße mit hoher Geschwindigkeit in eine Gruppe von Menschen auf dem Bürgersteig - offenbar mit Absicht. Anschließend lenkte der Fahrer das Auto wieder zurück auf die Tauentzienstraße, die an den Kurfürstendamm anschließt. 200 Meter weiter kam er schließlich im Schaufenster einer Parfümerie zum Stehen. Passanten hielten den Mann fest, bis ein Polizeibeamter ihn festnahm.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sprach im RBB-Inforadio von einem "dunklen Tag in der Berliner Stadtgeschichte". Es handele sich um ein Ereignis, das "sehr tiefe Verletzungen und Traumata wieder aufreißt", sagte die SPD-Politikerin mit Blick auf den islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche vor fünfeinhalb Jahren. Damals raste der Tunesier Anis Amri mit einem gestohlenen Lkw auf den Platz. 13 Menschen starben infolge des Anschlages, mehr als 60 Menschen wurden verletzt, darunter viele schwer. Amri konnte zunächst entkommen, wurde aber vier Tage später bei einer Polizeikontrolle in Norditalien in Notwehr erschossen. Eine Gedenkstätte an der Gedächtniskirche erinnert an seine Opfer, bis heute ist der Platz mit Pollern und Betonsperren gesichert.

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