Amanda Knox im US-Frühstücksfernsehen:"Ich werde diesen Kampf bis zum bitteren Ende führen"

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Amanda Knox (hier ein Archivbild) ist aus Angst vor einem Schuldspruch nicht nach Florenz gereist. Dort haben die Richter sie am Donnerstag zu einer Haftstrafe von 28 Jahren und sechs Monaten verurteilt. (Foto: REUTERS)

Aus der Ferne kritisiert sie die "übereifrige" Staatsanwaltschaft und die "voreingenommenen" Ermittler: Die wegen Mordes verurteilte US-Amerikanerin Amanda Knox hofft noch immer auf einen Freispruch - in einem neuen Verfahren. In einem Interview für den US-TV-Sender ABC spricht sie über ihre Gefühle.

28 Jahre und sechs Monate, schuldig des Mordes an der britischen Studentin Meredith Kercher. Als das Berufsgericht in Florenz am späten Donnerstagabend seine Entscheidung verkündet, sitzt Amanda Knox 9000 Kilometer weit weg in ihrer Heimatstadt Seattle.

"Ich bin erschrocken und betrübt über dieses ungerechte Urteil", sagt Knox in einer ersten Reaktion. Der Schock habe sich sofort mit Wut gemischt. Wut auf das italienische Justizsystem, von dem sie "Besseres erwartet" habe und die "übereifrige und sture Staatsanwaltschaft" und deren "voreingenommene und engstirnige Ermittlungen".

Am Tag danach spricht Knox im US-Frühstücksfernsehen. "Ich konnte nicht glauben, was ich da gehört habe. Das hat mich wirklich getroffen. Ich fühle mich, als wäre ich von einem Zug überrollt worden", sagt die 26-Jährige in einem Interview mit dem Sender ABC. Knapp zehn Minuten dauert das Gespräch. Mehrmals unterbricht Knox, weil ihr die Stimme wegbricht.

Die Interviewerin fragt: "Manche Experten sagen, die USA werden vielleicht keine andere Wahl haben, als Sie auszuliefern? Sind Sie darauf vorbereitet?" "Ich bin es nicht", sagt Knox. Die Ermittler seien von Anfang an voreingenommen gewesen. "Das ist nicht richtig. Das ist nicht fair. Ich werde diesen Kampf bis zum bitteren Ende führen""

"Oh mein Gott, Raffaele", das habe sie direkt nach dem Urteil gedacht. Raffaele Sollecito ist der Ex-Freund von Amanda Knox, der sich noch immer in Italien aufhält. Er ist ebenfalls verurteilt worden - zu 25 Jahren Haft. Am Donnerstagmorgen war er, gemeinsam mit seinem Vater, noch im Gerichtssaal in Florenz. Wie mehrere italienische Medien berichten, hat ihn die Polizei inzwischen unweit der Grenze in einem Hotel in der Nähe von Udine aufgegriffen. Sein Pass sei eingezogen worden, außerdem sei er daran erinnert worden, dass er das Land nicht verlassen dürfe. Verhaftet wurde er nicht, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Der Fall Knox ist einer der spektakulärsten Prozesse in der italienischen Justizgeschichte. Sie und Sollecito waren bereits vor vier Jahren von einem Gericht in Perugia wegen des Mordes an der britischen Studentin Meredith Kercher im Jahr 2007 zu je 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Die damals 21-jährige Kercher war am 2. November 2007 halbnackt und mit durchgeschnittener Kehle in der Wohnung im italienischen Perugia entdeckt worden, die sie mit Knox teilte. Ihre Leiche wies 47 Messerstiche auf, die Studentin war zudem vergewaltigt worden. Wegen ihres Todes sitzt bereits der Drogendealer Rudy Guede im Gefängnis, dessen DNA am Tatort gefunden wurde. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt. Den Ermittlern zufolge wiesen die Stichwunden jedoch stark darauf hin, dass es mehr als einen Täter gab.

Bei einer Berufung muss das höchste Gericht in Rom entscheiden

Ein Berufungsgericht sprach Knox und Sollecito jedoch 2011 nach vier Jahren Haft frei. Der neue Prozess in Florenz war 2013 vom obersten italienischen Gericht angeordnet worden, das Widersprüche und Unzulänglichkeiten im Berufungsverfahren sah.

Zwölf Stunden berieten die Richter am Donnerstag, bevor sie ihre Entscheidung verkündeten. Ihr Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Verteidiger der beiden Angeklagten kündigten an, Berufung einlegen zu wollen. Im Falle der Berufung müsste das höchste italienische Gericht in Rom ein weiteres Mal in dem Fall entscheiden. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil könnte ein halbes Jahr vergehen.

Aus Angst vor einem Schuldspruch war die 26-Jährige nicht nach Florenz gereist. Fraglich ist jetzt, ob Knox an Italien ausgeliefert wird. Die Mehrheit der Experten hält dies für unwahrscheinlich, solange das Urteil nicht endgültig bestätigt ist. Doch wenn von Seiten der Justiz endgültig erwiesen ist, dass Knox eine Mörderin ist, könnte sich die Lage ändern.

Knox hofft, dass die US-Regierung selbst dann einem möglichen Auslieferungsantrag aus Italien nicht nachkommen wird. Sie werde nicht aufhören, bis ihre Unschuld bewiesen sei, sagte sie nach dem Urteil. Und sie schob noch einen Satz nach, den das britische Boulevardblatt Daily Mail zitiert. "They'll have to catch me and pull me back kicking and screaming." - "Sie werden mich fangen und zurückbringen müssen, während ich schreie und trete."

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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