Zum Lachen ins Museum:Eine Insel für den Humor

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Pläne für eine Komische Pinakothek in München gibt es schon lange, doch bisher sind alle Versuche gescheitert. Nun bringt ein Ex-Minister Herrenchiemsee als Standort ins Spiel. Davon sind nicht alle begeistert

Von Wolfgang Görl

Pst, bloß nicht laut reden, bloß keine hörbare Gefühlsregung zeigen! Wer ein Kunstmuseum besucht, weiß von vornherein, dass er gewissermaßen in heiligen Hallen wandelt, in einer Weihestätte, in welcher der Besucher die ausgestellten Gemälde und Skulpturen in stummer Ergriffenheit zu bewundern hat. Allenfalls ein Flüstern unter Sachkundigen ist erlaubt. Wie aber wäre es, gäbe es in München ein Museum, in dem es so lustig zuginge wie in einer guten Komödie im Theater? Man dürfte lachen, ja, man sollte es sogar, und kein Ordner bäte um Ruhe.

Wenn jetzt einer sagt, das gibt es schon, im Isartor nämlich, wo die Hinterlassenschaften von Karl Valentin und Liesl Karlstadt genug Stoff für Gelächter bieten, dann hat der einerseits recht. Andererseits aber: Warum sollte es in der Stadt nicht ein zweites, ein ganz anders geartetes Museum geben, das ebenfalls dem Humor gewidmet ist? Eines, das ein ganz bedeutendes und bis in die Gegenwart reichendes Kapitel der Münchner Kulturgeschichte erzählt, in der große Namen wie Carl Spitzweg, Wilhelm Busch, Thomas Theodor Heine, Olaf Gulbransson, Karl Arnold, Ernst Maria Lang, Paul Flora, Janosch, Loriot, Helmut Dietl, Dieter Hanitzsch, Rudi Hurzlmeier, Gerhard Polt und viele mehr vorkommen. Es wäre - und die Vertreter der ernsten Kunst müssen jetzt ganz stark sein - so etwas wie die vierte oder, je nach Zählart, fünfte Pinakothek. Weil das aber arg nüchtern-pedantisch klänge, firmiert das Projekt unter dem Titel "Komische Pinakothek". Bislang, muss man hinzufügen, denn weil maßgebliche Herrschaften die Verbindung zwischen Komik und Pinakothek für eine Mesalliance halten, bestehen die Initiatoren neuerdings nicht mehr auf dem Namen - obwohl, wie man glaubhaft versichert, Vicco von Bülow alias Loriot diesen erfunden hat.

Die Idee, in München ein Museum zu schaffen, das der Karikatur im Besonderen und der Satire im Allgemeinen gewidmet ist, geistert seit Jahrzehnten durch die Stadt. Von einem Hirngespinst zu einem veritablen Projekt wandelte sich die Sache, als die Kunstfreunde Meisi und Helmut Grill zusammen mit einigen Zeichnern, Karikaturisten und anderen Menschen, die einen Sinn für Humor haben, im Jahr 2010 den Förderverein "Komische Pinakothek" gründeten. Dessen Zweck, so steht es in der Satzung, "ist die Förderung von Kunst und Kultur durch die Einrichtung und den Betrieb eines Museums der komischen Künste". Heute, sieben Jahre später, haben sie einige gescheiterte Anläufe hinter sich, was nichts anderes heißt, als dass die Komische Pinakothek noch immer als kühne Vision zwischen den Wolken schwebt.

Meisi Grill sitzt an einem schönen Frühlingstag bei Kaffee und Kuchen in einem der zwei kleinen Ausstellungsräume an der Herzog-Rudolf-Straße, um sie herum an den Wänden hängen die, man kann es nicht vornehmer formulieren, saukomischen Exponate der aktuellen Ausstellung "Das Alter in der Karikatur". Die quirlige Dame, die als Erfinderin der nicht mehr existenten Kuriositäten- und Kunstgalerie "Etcetera" in München weltberühmt ist, seufzt beim Gedanken an das Museumsprojekt: "Es ist eine außergewöhnliche Aufgabe, bei der man fast zerbrechen könnte an den Hindernissen." Immerhin, die bescheidenen Galerieräume nahe der Maximilianstraße kann sich der Verein leisten, aber die reichen gerade mal für kleinere Sonderausstellungen. Die Vision freilich schaut ganz anders aus, und um davon eine Vorstellung zu bekommen, muss man nur mal den Worten von Meisi Grills Ehemann Helmut folgen: "Wir haben vor, nicht nur Bilder, also Karikaturen, Comics und so weiter, zu zeigen, sondern wir wollen auch einen großen Raum für Filme, Lesungen, Kabarett und Musik und ein Archiv, in dem auch Forschung möglich ist."

Das geht schon ungefähr in die Richtung, die auch Gerhard Polt vorschwebt, der sich eine Rolle als "Co-Inspirator" vorstellen könnte, sofern das Konzept mehr verspricht als nur eine Bilderausstellung. Humor, sagt er, "ist ein unendliches Thema, ist ein Ozean". Eine Demokratie aber brauche Humor. "Da, wo die Fundamentalisten sind, da ist kein Humor, und wo sie waren, war er auch nicht." Wenn es gelänge, eine Stätte zu schaffen, in der alle Formen des Humors präsent wären, in der man einen ganz großen Bogen von sämtlichen Kunstgattungen bis hin zum privaten Witz spannte, "dann könnte das interessant werden". Aber: "Es ist ein unheimliches Thema, und die Frage, ob man sich dabei übernimmt, muss man auch stellen."

Es ist nicht so, dass die Grills von einem Wolkenkuckucksheim träumten, zu dessen Materialisation sie nichts zu bieten hätten außer Enthusiasmus. Helmut Grill, der einst die "Galerie der Zeichner" in der Stuckvilla gegründet hatte, verfügt über eine grandiose Sammlung satirischer Originalzeichnungen, die viel zu witzig sind, um sie in Mappen zu verstecken. Da sind herrlich komische Tuschfederzeichnungen von Luis Murschetz, wunderbare Blätter von F. K. Waechter, die düsteren Szenen des Südtirolers Paul Flora, da ist der Hühnerspezialist Peter Gaymann, der grandiose Tomi Ungerer, Gabor Benedek nicht zu vergessen, Sempé, Michael Sowa, Halbritter, Reiner Zimnik, Gerhard Haderer und so weiter.

Rund 130 Meisterwerke zählt die in eine Stiftung übertragene Sammlung, die, so sagt Marianne Wille, Dallmayr-First-Lady und zweite Vorsitzende des Fördervereins, schon allein "eine gewaltige Basis" für das Museum wäre. Daneben, fügt sie hinzu, gibt es noch die "gleichermaßen exzellente" Stiftung Rother aus Hannover sowie eine Art Sammlung in spe: Eine ganze Reihe von Satirekünstlern habe zugesagt, jeweils einige ihrer Werke zu spendieren - aber nur, wenn aus der Komischen Pinakothek was wird. Auch einen begehrlichen Blick in fremde Archive wagen die Grills und ihre Mitstreiter: "Die Staatliche Graphische Sammlung verfügt über grafische Blätter des 15. bis 19. Jahrhunderts sowie ein bedeutendes Konvolut des Simplicissimus bis 1940."

Anderswo, etwa in Frankfurt, hat man es geschafft, das mittlerweile höchst beliebte Caricatura-Museum einzurichten, Basel und Brüssel ist es gelungen, sehenswerte Cartoon- respektive Comicstrip-Museen einzurichten, sogar Krems - bitte, das liegt in Österreich - gönnt sich ein tolles Karikaturmuseum. Und München? Hat nichts dergleichen. Liegt es vielleicht daran, dass Kunst, die zum Lachen reizt, nicht fein genug ist für die hiesigen bildungsbürgerlichen Ansprüche? Oder kennt man die örtliche Kulturgeschichte einfach nur unzureichend? Dann gilt es wohl auch nicht als so wichtig, dass hier schon früh, nämlich 1844, die satirische Zeitschrift Fliegende Blätter herauskam, für die beispielsweise Spitzweg kleinbürgerlich drollige Figuren zeichnete. Für die Fliegenden Blätter arbeitete auch Franz von Pocci, hauptberuflich Zeremonienmeister König Ludwigs I., und wer sich etwa dessen "Staatshämorrhoidarius", einen notorischen Schnarchsack im Amt, anschaut, weiß fortan, was eine witzige Bildergeschichte ausmacht. Und muss man daran erinnern, dass Wilhelm Busch etliche Jahre in München wohnte, wo er für die Fliegenden Blätter und den Münchner Bilderbogen zeichnete? Kurz vor der Jahrhundertwende, 1896, gründete Albert Langen den Simplicissimus, für den nicht nur fulminant spottbegabte Autoren schrieben, sondern der auch Zeichner hatte, welche den Irrwitz ihrer Zeit in genialer Manier zu Papier brachten.

Später dann, nach dem Zweiten Weltkrieg: die Karikaturistenriege der Süddeutschen Zeitung oder die virtuosen Karikaturen Horst Haitzingers, die geistreichen Cartoons Dieter Olaf Klamas - ach, es sind zu viele, um sie alle zu nennen. Aber vielleicht genügen die paar Beispiele ja schon, um die These zu riskieren, zur Kulturgeschichte Münchens gehören Karikatur und Satire ebenso wie Blauer Reiter oder Braukunst. Was wäre das für ein Museum, in der diese Werke aus zwei Jahrhunderten zu sehen wären? Da hingen Bilder an der Wand, die pointiert vom politischen, gesellschaftlichen und privaten Leben erzählten - und dabei wären sie auch noch lustig.

Helmut Grill besitzt auch einige Arbeiten von Rudi Hurzlmeier, dem in München lebenden Niederbayern. Hurzlmeier kann zeichnen wie der Teufel, und Humor hat er auch noch. Mit Blick auf die Karikaturmuseen in Frankfurt oder Krems sagt er: "Man sieht, dass drumherum diese ganze Humoristen- und Satirikerszene enorm aktiviert und viel mehr wahrgenommen wird." Das wäre auch in München so, vorausgesetzt, die Komische Pinakothek wäre kein herkömmliches Museum, "sondern ein aktives Zentrum mit Ausstellungsflächen". Vor einigen Jahren hat sich Hurzlmeier dafür eingesetzt, die drei Türme des Isartors mit einem gläsernen Dach zu verbinden und darunter, in Symbiose mit dem "artverwandten" (Hurzlmeier) Valentin-Karlstadt-Musäum, der komischen Kunst ein Refugium einzurichten. Aber das scheiterte, die Denkmalschützer waren dagegen. Ebenfalls missglückt war der anfangs aussichtsreich erscheinende Versuch des Fördervereins, die Paul-Heyse-Villa an der Luisenstraße mit Hilfe des Freistaats zu erwerben. Ein anderer Käufer schnappte sich die Immobilie.

"Es ist halt ein dickes Brett, das man bohren muss", sagt Hurzlmeier. Und dazu fehlt einem Künstler, wie er es ist, schlichtweg die Zeit. Mehr Zeit hat womöglich Thomas Goppel, einst bayerischer Kunstminister und noch immer gut vernetztes Mitglied des Landtags. Goppel engagiert sich seit Jahren für das Projekt, weil er überzeugt ist, dass es im süddeutschen Raum einen Bedarf für ein satirisches Museum gibt. "Wir habe dafür zu sorgen, dass die Werke, die Karl Valentin und viele andere bis hin zu Loriot hinterlassen haben, bei uns gezeigt werden und sie nicht, wie es bei Valentin war, etwa nach Köln gehen."

Das Dumme ist nur, dass Karikatur und Satire, wie Goppel verrät, bei den Spitzen der bayerischen Politik nicht gerade Priorität genießen. Zudem wäre so ein Museum mit erheblichen Kosten verbunden, man bräuchte Räume, Personal und vieles mehr, um den Betrieb dauerhaft zu sichern. Potente Sponsoren, die dies allein finanzieren könnten, hat der Förderverein nicht. Deshalb sagt Helmut Grill: "Wir wünschen uns ein Museum unter staatlicher Trägerschaft, das teilweise auch von Spenden lebt." Dafür aber müsste das Finanzministerium die Kassen öffnen, und Goppel war auch schon bei seinem Parteifreund Markus Söder. Die Antwort des Finanzministers lautete Goppels zufolge so: "Thomas, wenn du mir einen Vorschlag machst, der nicht München ist, dann sehe ich zu, dass ich mit dir zusammen zu einer Lösung komme. München wenn ich mache, dann krieg ich so viel Widerstand aus dem ganzen Land, wo sie sagen: ,Schon wieder München!'."

Dem zu erwartenden Aufschrei der Provinz hat Goppel insofern Rechnung getragen, als er sich außerhalb der Stadt nach einem Standort umgesehen hat. Und er ist fündig geworden: "Ich würde Herrenchiemsee für eine interessante Regelung halten." Ja, tatsächlich: Im Schloss König Ludwigs II., im bayerischen Versailles. Dort gibt es verfügbare, "weitgehend hergerichtete" Räume, sagt Goppel, überdies wäre die Herreninsel von München aus gut zu erreichen, und außerdem mache dort sowieso die halbe Welt halt. "Dies versuche ich jetzt dem Finanzminister schmackhaft zu machen und zu sagen: Du hast mir versprochen, du akzeptierst unter Umständen eine Stelle, die nicht München ist - hier hast du eine. Die gehört dir, du brauchst keinen Kultusminister, du kannst das ganz allein herrichten. Du brauchst dazu nur die Schlösser- und Seenverwaltung."

Das ist der Stand der Dinge: Die Zukunft der Münchner Satire liegt womöglich auf einer Insel. Marianne Wille macht kein Hehl daraus, dass ihr München lieber wäre, "die Metropole des Humors, der skurrilen Komik, der scharfen Satire und des kritischen Derbleckens". Die Sache ist so verzwickt, dass man auf ganz komische Ideen kommen könnte: Wie, wenn sich die Stadt um die Pinakothek der Satiriker bemühte? Schließlich handelt es sich ja um ein Stück ihrer Kulturgeschichte. Tatsächlich hat es in der Ära Ude einschlägige Gespräche gegeben, deren Ergebnis das Kulturreferat so beschreibt: "Vor Längerem haben die Akteure ihre Projektüberlegungen skizziert. Dem ist jedoch nicht das benötigte Konzept gefolgt, das Aussagen zu inhaltlicher Ausrichtung, Zielgruppen, Betriebsmodell, Finanzierung und weiteren relevanten Faktoren für eine erfolgversprechende Museumsgründung trifft." Anders gesagt: Die Stadt will eine Art Businessplan, was der Förderverein bislang vorgelegt habe, sei unzureichend.

Wer den himmelstürmenden Enthusiasmus der Grills erlebt, wundert sich nicht, dass sie kaum auf den kargen Boden zurückzuholen sind, auf dem Betriebskostenrechnungen und Besucherprognosen gedeihen. Wäre es eine ganz verwegene Annahme, dass dabei die Stadt behilflich sein könnte? Ob diese nicht will oder nicht kann, oder ob sie doch will, aber nicht so schnell, wäre interessant zu erfahren. Doch weder Oberbürgermeister Dieter Reiter, noch Kulturreferent Hans-Georg Küppers möchten sich dazu äußern. Wäre man Satiriker, dürfte man sagen: Mit ihrer Zurückhaltung liegen sie ganz auf der Linie der bayerischen Provinzpolitiker.

Das Alter in der Karikatur. Ausstellung in der Komischen Pinakothek, Herzog-Rudolf-Straße 9. Bis zum 19. Oktober nach telefonischer Vereinbarung.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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