Zeitverträge an Hochschulen:Verhinderte Forscher

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Ein Münchner Lecturer klagt gegen die LMU, weil die Hochschule nach Jahren seine Zeitverträge nicht verlängert. Doch er ist nicht der Einzige mit diesem Problem. Die SPD fordert nun mehr Planstellen und Geld für die Unis.

Von Jakob Wetzel

Zu wenige unbefristete Stellen und zu wenig Zeit für die Forschung: Nachdem das Landesarbeitsgericht ein Urteil gegen die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) bestätigt hat, nimmt die Kritik am Umgang von Staat und Hochschulen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern zu. "Die Universitäten brauchen mehr Planstellen", fordert Isabell Zacharias, die hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. "Dafür brauchen sie mehr Geld, und da ist der Freistaat in der Pflicht." Die Interessenvertretung der wissenschaftlichen Mitarbeiter an der LMU kritisiert dagegen die Arbeitsteilung an den Universitäten.

Gegen die Münchner Universität hatte, wie am Dienstag berichtet, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter geklagt: Der Politologe Günther Auth, 47, hatte sich vor Gericht dagegen gewehrt, dass sein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert worden war. Sechs Jahre lang hatte er mit wechselnden Verträgen als Lehrkraft am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU gearbeitet. Nun hat er bereits in zweiter Instanz Recht bekommen; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Besonderheit im Arbeitsrecht

Hintergrund des Streits ist eine Besonderheit im Arbeitsrecht für Hochschulen: Nach dem Wissenschafts-Zeitvertrags-Gesetz dürfen Universitäten wissenschaftliche Mitarbeiter jeweils bis zu sechs Jahre vor und nach der Promotion befristet beschäftigen, um ihnen Zeit zur Forschung und zur weiteren Qualifikation zu geben; nach Ablauf der Frist sollen sie beispielsweise eine Professur antreten. Tatsächlich aber erhalten mit Hilfe dieser Regel auch solche Angestellte nur befristete Verträge, die nicht forschen, sondern zum Beispiel unterrichten sollen - so wie Günther Auth.

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Zum konkreten Fall will sich Bernhard Emmer, der Vorsitzende des Konvents der wissenschaftlichen Mitarbeiter an der LMU, noch nicht äußern; aber Auth sei nur ein Beispiel von vielen. "Wir erleben immer wieder, dass Leute auf Qualifikationsstellen mit Daueraufgaben belastet werden", sagt Emmer. Die verhinderten Forscher müssten etwa Studiengänge koordinieren oder derart viele Kurse geben, dass für eigene Forschung schlicht keine Zeit mehr bleibe. Selbst wenn Wissenschaftler gezielt für befristete Forschungsprojekte eingestellt würden, komme es vor, dass sie dann nicht mitforschen dürfen, sondern das Projekt organisieren müssen. Besonders schlimm geworden sei es mit der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge, sagt Emmer: Die Belastung durch Prüfungen und Korrekturen sei stark gestiegen, auch der Verwaltungsaufwand sei zu einem guten Teil auf wissenschaftliche Mitarbeiter abgewälzt worden, die eigentlich forschen und damit auch an ihrer Karriere arbeiten sollten. Die Universitäten müssten dies stärker respektieren.

Situation ist aus der Not geboren

Wie Hochschulpolitikerin Zacharias sagt, ist die Situation der Wissenschaftler aus der Not geboren: "Die Hochschulen sind grundsätzlich nicht gut finanziert, und das merkt man zuerst beim Personal", sagt sie. Dass aber Mitarbeiter ohne Perspektive jahrelang nur befristet beschäftigt würden, sei eine "ganz finstere Nachwuchs- und Personalpolitik".

Angestellte auch von Hochschulen müssten Leben und Karriere planen können. Probleme gebe es bereits seit den 1970er Jahren, "als die Unterfinanzierung der Universitäten gesellschaftsfähig gemacht wurde", sagt Zacharias. Jetzt hoffe sie auf die Reform des Zeitvertrags-Gesetzes durch den Bund. Und es müsse mehr Geld her, fordert sie. Die LMU und das bayerische Wissenschaftsministerium wollen sich zum Prozess und zu möglichen Folgen nicht äußern, bis das Landesarbeitsgericht seine schriftliche Begründung vorgelegt hat.

© SZ vom 03.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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