Auf den ersten Blick ist vieles anders, auf den zweiten fast alles wie früher: Nachdem Wirt Isi wegen Lärmklagen sein legendäres Absturzlokal X-Cess im Glockenbachviertel vergangenes Jahr schließen musste, hat er es vor rund zwei Monaten in der Sonnenstraße wiedereröffnet. Das Lokal ist deutlich größer als zuvor. Eine breite Treppe führt gar in den ersten Stock, in dem sich allerdings nur Toiletten befinden.
Impressionen aus dem X-Cess:Isis neues Reich
Auf den ersten Blick ist vieles anders, auf den zweiten fast alles wie früher: Nachdem Wirt Isi sein legendäres Absturzlokal im Glockenbachviertel vergangenes Jahr schließen musste, hat er es vor rund zwei Monaten in der Sonnenstraße wiedereröffnet.
Statt wie früher zerschlissenen Ledersofas vom Sperrmüll stehen im neuen X-Cess nun schmale Holzbänke und Tische, die so klein sind, dass es für die Gäste noch schwieriger wird, darauf zu tanzen, ohne die Balance zu verlieren. Aber sie versuchen es natürlich dennoch. Natürlich legen auch weiter die Gäste selbst auf, Hobby-DJs können sich in eine Liste eintragen. Was für Musik gespielt wird, lässt sich deswegen vorher nicht sagen. Ob Electro, Indie oder Oldies, das ist jeden Abend eine Überraschung. Früher konnten sich die Gäste nicht einmal mehr um die eigene Achse drehen, in den neuen Räumen bleibt nun manchmal sogar Platz für ein oder zwei Tanzschritte.
Es darf weiterhin jeder, aber auch wirklich jeder, rein. Ob Taugenichts, Trader, Trachtler oder Tatort-Kommissar. Und mittendrin verteilt Wirt Isi - natürlich trägt er weiterhin seine russische Militärmütze - Lollies an die Damen und Leckmuscheln an die Herren, ehe er auf die Theke springt und in ausladenden Tanzbewegungen die Gäste zum Kreischen bringt. Das spezielle Ambiente des X-Cess, das machen Wirt Isi und seine Gäste aus - egal ob im Glockenbachviertel oder in der Sonnenstraße.
Im Mai 2010 hatte das X-Cess in der Kolosseumstraße wegen Anwohnerbeschwerden schließen müssen. Es folgten monatelange Proteste im Internet von aufgebrachten Nachtschwärmen, die gegen das Ende von Isis Militärmützen-Diktatur demonstrierten. Im Gegensatz zu den Bewohnern arabischer Staaten wollten sich die Münchner nicht ihres Machthabers entledigen, sondern versuchten alles, um General Isi, den Herrscher über die absturzwillige Nachteulenarmee, zurückzubekommen.
Monatelang suchte Isi vergeblich nach einem geeigneten Raum für das X-Cess 2.0. Dann war endlich ein Raum für die neue Bar in der Sonnenstraße gefunden, doch die Wiedereröffnung verzögerte sich noch einmal um Monate. Dem drängenden Partyvolk riss während der langen Wartezeit schon einmal der Geduldsfaden: "WANN ist es denn soweit? In der Zeit hätt' man ja Kinder kriegen können! Und ich hab' Durscht!", schrieb ein ehemaliger Stammgast auf Facebook. Im Mai - genau ein Jahr nach dem Ende - war es dann endlich soweit.
Probleme mit der Nachbarschaft scheinen nun unwahrscheinlich. Der einzige Anwohner heißt Harry Klein - und der macht mindestens genau so viel Radau, der Club ist schließlich auf der ganzen Welt für seine Electro-Musik bekannt. Den Isi vertreibt nun so schnell wohl keiner mehr!
Doch zu Beginn machte sich erst einmal Enttäuschung breit: Die ersten Wochen nach dem Ende der Abstinenz waren nicht mehr wie vorher. Der rote Samtvorhang fehlte, die legendäre Tittentapete war noch nicht wieder aufgehängt, voll waren nur die wenigen Besucher, nicht der Raum. War das X-Cess zu einer gewöhnlichen Münchner Bar verkommen?
Nein, es dauerte nur ein paar Wochen. Denn nun endlich ist diese ganz spezielle X-Cess-Stimmung wieder da - zumindest an manchen Abenden. Auf der Toilette wird wieder in einem Atemzug über Schopenhauer und Germany's Next Topmodel diskutiert. Die Wände sind beschmiert mit Parolen wie "Lasst uns feiern, bevor wir tot sind" oder "Live well, laugh often, love much" - lebe gut, lache oft, liebe viel. Der Exzess ist auferstanden.
Nun legt sich wieder Abend für Abend der Zauber des Unvorhersehbaren über das Lokal. Wer den Raum betritt, weiß nie, was alles passieren wird, ehe er am Ende das leere Glas wegstellt und zum Sonnenaufgang vor Glück taumelnd den Heimweg antritt.
X-Cess, Sonnenstraße 8 (Ecke Schwanthalerstraße), 80331 München, geöffnet täglich ab ca. 21 Uhr bis mindestens 5 Uhr.